Monumente des Fortschritts

Brandenburgs erstaunlichste Industriekulturorte entdecken

Abraumförderbrücke F60, die größte bewegliche Arbeitsmaschine der Welt. Foto: Tourismusverband Lausitzer Seenland e. V., Kathrin Winkler
Abraumförderbrücke F60, die größte bewegliche Arbeitsmaschine der Welt. Foto: Tourismusverband Lausitzer Seenland e. V., Kathrin Winkler

3.12.2024


(Senftenberg/tpr) – Apokalyptische Maschinen, die ganze Landschaften umgraben, monumentale Hebeanlagen, die Schiffe samt Wasser in die Höhe stemmen, durchdachte Arbeiterstädte vom Reißbrett: Brandenburg ist reich an faszinierenden Relikten des Industriezeitalters. Einige sind weltweit einmalig – und die meisten auch im Winter einen Ausflug wert. Das Touristische Netzwerk Industriekultur in Brandenburg empfiehlt erstaunliche Orte für winterliche Erkundungstouren.

 

Abraumförderbrücke F60: die größte bewegliche Arbeitsmaschine der Welt

500 Meter lang, 200 Meter breit, 80 Meter hoch, 11.000 Tonnen schwer: Weithin sichtbar liegt die Abraumförderbrücke F60 als Koloss aus Stahl in der Weite der Lausitz. Einst war die Konstruktion der ganze Stolz der DDR. Die größte bewegliche Arbeitsmaschine der Welt wurde geschaffen, um gigantische Erdmengen im Braunkohletagebau zu transportieren. Nur knapp entkam sie nach der Wende ihrer Verschrottung. Heute ist die F60 eines der beeindruckendsten Industriedenkmäler Brandenburgs.

Das Highlight ist der 90-minütige, geführte Rundgang über die Förderbrücke. Die Besucher steigen auf sicheren Wegen im Inneren der Konstruktion bis in 74 Meter Höhe hinauf, wo sich ihnen ein atemberaubender Panoramablick über die junge Landschaft des Lausitzer Seenlandes bietet. Von November bis März starten die Basisführungen von Mittwoch bis Sonntag um 11:30 Uhr, 13:00 Uhr und 14:30 Uhr. Zusätzlich werden thematische Führungen angeboten. Eine Anmeldung ist erforderlich. Wetterbedingt kann es zu Einschränkungen des Führungsbetriebs kommen.

www.f60.de/de/fuehrungen/f60-fuehrungen.html

 

Ofenmuseum Velten: europäisches Zentrum der Kachelofenindustrie

Aus den meisten Wohnungen sind sie längst verschwunden, doch bis heute gelten sie als Inbegriff von Gemütlichkeit: Kachelöfen. Manche waren nüchterne Gebrauchsgegenstände, andere prächtige Statussymbole. An eine der einst größten Kachelofenproduktionsstätten in Europa entführt das Ofen- und Keramikmuseum in Velten nördlich von Berlin. Reiche Tonvorkommen machten die Stadt im 19. Jahr-hundert über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Spätestens mit der Erfindung der weißen Schmelzglasur zählte die „Veltener Kachel“ zu den beliebtesten auf dem deutschen und europäischen Markt.

In der ehemaligen Kachelofenfabrik A. Schmidt, Lehmann & Co mit Gründungsjahr 1872 sind heute auf etwa 900 Quadratmetern die historischen Öfen sowie die Brennkammern, Kachelpressen und Gießstrecken zu sehen, mithilfe derer man die berühmten Tonwaren herstellte. Eingestellt wurde die Produktion hier erst im Jahr 2016!

Nach Voranmeldung können interessierte Besucher an thematischen Rundgängen durch die Ausstellung zur Entwicklung der Kachelofen- und Keramikindustrie, zur Transformation des Ortes zur Industriestadt oder an speziellen Familienführungen teilnehmen. Die ehemalige Remise der Fabrik beherbergt außerdem den Nachlass der deutschen Keramikdesignerin Hedwig Bollhagen (1907-2001), die mit ihren zeitlosen Designs die Keramikindustrie in Velten und Marwitz prägte.

www.okmhb.de

 

Veranstaltungstipp:
Weihnachtsmarkt auf dem Museumshof am 14. und 15. Dezember mit Kunsthandwerkermarkt, Lichterlabyrinth und einem der größten Adventskalender Brandenburgs

www.okmhb.de/weihnachtsmarkt

 

Schiffshebewerke Niederfinow: einzigartiges Ensemble der Ingenieurskunst

Unübersehbar sind die imposanten Stahlkonstruktionen der Schiffshebewerke Niederfinow. Alt und Neu arbeiten hier Seite an Seite: das mit Baujahr 1934 älteste noch in Betrieb befindliche Hebewerk sowie das 2022 eingeweihte modernste Hebewerk Deutschlands. Gemeinsam bilden sie ein einmaliges Ensemble deutscher Ingenieurskunst. Über beeindruckende 36 Meter heben und senken die Anlagen Schiffe auf der Oder-Havel-Wasserstraße.
Die Hebewerke setzen eine über 400-jährige Wasserbaugeschichte in Niederfinow fort, denn bereits vor dem 30-jährigen Krieg wurde der Finowkanal eingeweiht, um den Wasserverkehr zwischen Oder und Havel zu ermöglichen.

 

Bei täglichen Führungen erfahren Besucher Spannendes zu Geschichte und Technik der Hebewerke. Für individuelle Erkundungen steht ein Audioguide zur Verfügung. Das Highlight ist eine Schiffstour. Technik, Architektur und die landschaftliche Weite des Oderbruchs verschmelzen dabei zu einem einmaligen Erlebnis. Zwischen März und Oktober finden die Linienfahrten mehrmals täglich statt.

 

www.schiffshebewerk-niederfinow.com

 

Veranstaltungstipp:
Sonderführung „Ins Herz des Hebewerkes“ durch die technischen Anlagen des alten Schiffshebewerkes. Termine: 14., 17., 28. Dezember 2024, weitere Termine:

 

www.schiffshebewerk-niederfinow.com/sonderfuehrung-ins-herz-des-hebewerks/


Baruther Glashütte: Glasmacherdorf mit 300-jähriger Tradition

Handwerkskunst, Industriekultur und Glasmachertradition: Die 1716 gegründete Baruther Glashütte entwickelte sich Mitte des 19. Jahrhunderts zum größten Glaserzeuger in der Provinz Brandenburg. Über Jahrhunderte wurden hier, etwa 60 Kilometer südlich von Berlin, die verschiedensten Gläser – vom Trinkglas bis zum Gärballon – hergestellt. Der wirtschaftliche Durchbruch gelang mit der Produktion von reinem Milchglas für Beleuchtungskörper. Lampenschirme aus diesem Material tauchten einst auch die Berliner Salons in zartes Licht und waren auf Weltausstellungen gefragt. Zu den Persönlichkeiten des Ortes gehört Reinhold Burger (1866-1954), der in Baruth seine Laufbahn als Glastechniker begann und später die Thermoskanne erfand. Heute ist die Baruther Glashütte eine denkmalgeschützte Werkssiedlung, die das Immaterielle Kulturerbe des Glasherstellens in originaler Kulisse konserviert und erlebbar macht. Zahlreiche Handwerksbetriebe, ein Museum, Kunsthandwerksgeschäfte mit Mitmachangeboten sowie gemütliche Restaurants machen das Glasmacherdorf im Fläming zu einem lohnenden Ausflugsziel.

Im Museum und Glasstudio können die Gäste am original erhaltenen Schmelzofen erleben, wie Sand, Kalk und Pottasche bei über 1.300 Grad Celsius zu Kunstwerken verschmelzen. Besucher dürfen zuschauen, Fragen stellen und sogar selbst aktiv werden. Im Winter sind Museum und Glasstudio von Mittwoch bis Sonntag geöffnet. An den Öffnungstagen können Gäste von 11 bis 12 Uhr und von 14 bis 15 Uhr für zehn Euro pro Stück eigene Bewässerungskugeln blasen. Im Anschluss findet eine etwa zwanzigminütige Vorführung der Glasmacher statt. Eine Voranmeldung ist nicht erforderlich.

www.baruther-glashuette.de

Veranstaltungstipp:
7. bis 8. Dezember: Adventszauber in Glashütte mit kleinem Weihnachtsmarkt

www.baruther-glashuette.de/weihnachtsmarkt

 

Gaswerk in Neustadt (Dosse): letzter Zeuge einer vergessenen Technologie

Mit Gas betriebene Straßenbeleuchtung: Heute kaum noch vorstellbar. Doch zu Beginn des 19. Jahrhunderts nutze man das meist aus Kohle erzeugte Stadtgas zur Beleuchtung von Straßen und in großen Gebäuden. Wie so ein Gaswerk ausgesehen hat und wie Stadtgas eigentlich produziert wurde, erfahren die Besucher des 1903 errichteten Gaswerks in Neustadt (Dosse), etwa 90 Kilometer nordwestlich von Berlin. Bis 1980 war das Werk, seit 1978 Technisches Denkmal, als eines der ältesten noch im Dienst und produzierte aus Steinkohle neben Stadtgas auch Koks und Teer. Durch die vermehrte Nutzung von Elektrizität kam die Gasherstellung aus Kohle aus der Mode. Die Gaswerke wurden demontiert. In Nordeuropa blieb nur ein einziges im Original erhalten: das Gaswerk in Neustadt (Dosse)!

Der Förderverein zur Erhaltung des Gaswerkes Neustadt Dosse e.V. betreibt hier ein kleines Museum, in dem Besucher die originale Technik aus dem Jahr 1903 mit Ofenhaus, Kohlebunker und Reinigerraum sowie verschiedene gasbetriebene Geräte besichtigen können. Besonders sind das begehbare Gasometer aus Stahl sowie die historische Maschinenhalle mit dem verzweigten Leitungssystem, durch welches das produzierte Gas direkt zu den Straßenlaternen strömte. Faszinierende Technik zum Anfassen.

Für Kinder und Jugendliche gibt es eine Mitmach-Ausstellung zum Thema Energie. Eine Voranmeldung ist erforderlich, ebenso für einen Besuch am Wochenende.

 

www.gaswerk-neustadt.de

 

Eisenhüttenstadt: Leben nach Plan in einer Stadt nach Plan

Weiträumige, parkartig begrünte Wohnanlagen, eine aufwendig gestaltete Magistrale und viel Kunst im öffentlichen Raum: So sah sie aus, die Vision vom sozialistischen Leben. Stein geworden ist sie in Eisenhüttenstadt, etwa 25 Kilometer südlich von Frankfurt (Oder). Es war die erste sozialistische Planstadt in der DDR. Eine Idealstadt sollte die Wohnstadt des Eisenhüttenkombinats Ost werden, ein Monument der sozialistischen Utopie von der Herrschaft der Arbeiterklasse. Im Stil des Sozialistischen Klassizismus entstanden ab 1950 ein Stadtzentrum mit allen notwendigen Einrichtungen des täglichen Bedarfs und vier Wohnkomplexen. Heute ist die Planstadt eines der größten Flächendenkmale Deutschlands.

Mittendrin, im Gebäude einer ehemaligen Kinderkrippe, entführt das Museum „Utopie und Alltag“ seine Besucher in zehn Räumen in das Alltagsleben, in Politik und Gesellschaft der DDR. Die Ausstellungsbereiche geben Einblick in das Familienleben, berichten über Konsum, Bildung und Kommunikationsmöglichkeiten. Weitere Räume beleuchten die offizielle „sozialistische Lebensweise“, aber auch ihren Gegenentwurf, die oppositionellen Milieus der 1980er Jahre. Das Museum präsentiert Teile seiner umfangreichen Bestände außerdem in Wechselausstellungen.

 

www.utopieundalltag.de

 

Vielseitig zeigt sich das Städtische Museum im Ortsteil Fürstenberg mit seinen vier Abteilungen: In der Ausstellung zur Stadtgeschichte erleben Besucher die fortschreitende Industrialisierung der ehemals mittelalterlichen Stadt Fürstenberg (Oder) und die 1953 erfolgte Gründung der „Stalinstadt“, die 1961 zu Eisenhüttenstadt wurde. Außerdem lohnt die Kunst- und Gemäldeausstellung einen Besuch. Gezeigt werden Werke regionaler und überregionaler Künstler, wechselnde Kabinettausstellungen präsentieren Schätze verschiedener Genres aus der umfangreichen Städtischen Kunstsammlung.

Ausstellungsstücke aus dem Feuerlöschwesen des 16. bis 20. Jahrhunderts sind im Feuerwehr- und Technikmuseum in der Heinrich-Pritzsche-Straße zu sehen. Die Schau beherbergt unter anderem alte Löschfahrzeuge, imposante Leiteraufbauten und historische Uniformen aus der DDR-Zeit.
Komplettiert wird die historische Sammlung im Stadtarchiv Eisenhüttenstadt am Trockendock. Neben einem beachtlichen Aktenbestand verwahrt das Stadtarchiv auch einen Fundus von weit über 20.000 Fotografien und das umfangreiche Bauaktenarchiv der Planstadt und ihrer Baudenkmäler.

 

www.museum-eisenhuettenstadt.de/museum

 

Weitere Highlights der Industriegeschichte:

  • Ziegeleipark Mildenberg: größte Ziegelei in Europa im 19. Jh. (Achtung: Winterpause bis Ende Februar 2025, www.ziegeleipark.de)
  • Die Gartenstadt Marga: älteste Gartenstadt Deutschlands (www.senftenberg.de)
  • Patent Papierfabrik Hohenofen: einzigartiges technisches Denkmal mit vollständig erhaltener, historischer Papierproduktionslinie (www.papierfabrik-hohenofen.de)
  • Kunstgussmuseum Lauchhammer: deutschlandweit einmalige Sammlung denkmalgeschützter Reliefs und Modelle aus Gips und Metall (www.kunstgussmuseum-lauchhammer.de)
  • Familiengarten Eberswalde: kunstvoll gestaltete Gartenanlagen mit Märchenspiellandschaft auf ehemaligem Industriestandort (www.familiengarten-eberswalde.de

 

 

Über Touristisches Netzwerk Industriekultur in Brandenburg:


Das Touristische Netzwerk Industriekultur in Brandenburg (www.industriekultur-brandenburg.de) setzt sich für den tourismusfachlichen Austausch der bedeutendsten Industriekulturorte im Bundesland ein, organisiert gemeinsame Marketingmaßnahmen und knüpft Kooperationen mit touristischen Partnern, um die Industriegeschichte als Thema und Ausflugsziel bekannter zu machen. Im Netzwerk eingebunden ist die ENERGIE-Route der Lausitzer Industriekultur, deren Standorte die Entwicklung des Lausitzer Bergbaus und der Energiegewinnung thematisch zusammenfassen und erlebbar machen.

 

Das Netzwerk wurde im Juli 2017 als Interessengemeinschaft in Potsdam gegründet. Es arbeitet mit dem bzi - Berliner Zentrum Industriekultur und dem Museumsverband des Landes Brandenburg e.V. zusammen. Gefördert wird die Netzwerkarbeit mit Mitteln des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg.