Globalisierung! Die Sonderausstellungen des Jahres 2025 im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg widmen sich einem hochaktuellen und brisanten Thema

Blick auf den sogenannten „Schöner-Globus“ , Erdglobus von Johannes Schöner, 1520, im Germanischen Nationalmuseum. Foto: Germanisches Nationalmuseum, Georg Janßen
Blick auf den sogenannten „Schöner-Globus“ , Erdglobus von Johannes Schöner, 1520, im Germanischen Nationalmuseum. Foto: Germanisches Nationalmuseum, Georg Janßen

Kaum ein Thema polarisiert derzeit so wie die Globalisierung. Ist die weltweite Vernetzung eher Fluch oder Segen, bringt sie der Menschheit mehr Vor- oder Nachteile? „Die Antwort hängt vom eigenen Standort und den dort herrschenden Lebensumständen ab“, betont Generaldirektor Prof. Dr. Daniel Hess. „Globalisierung bedeutet, Zusammenhänge zu verstehen, aber auch Widersprüche zu erkennen. Deshalb rücken wir im Jahr 2025 dieses Thema ins Zentrum unserer Aktivitäten.“

 

28.02.2025

 

(Nürnberg/gnm) - In Ausstellungen und Veranstaltungen blickt das Germanische Nationalmuseum 2025 zurück auf die Anfänge der Globalisierung, hinterfragt den eurozentrischen Fokus und zeigt Kontinuitäten bis in unsere hochvernetzte Gegenwart auf. Kaum eine Stadt ist geeigneter, sich diesem Thema zu widmen. Nürnberg war vielfältig in die Globalisierung um 1500 eingebunden, die Reichsstadt galt damals als international operierender Ort, als Knotenpunkt des globalen Wissens. Die große Jahresausstellung legt ab September 2025 den Fokus auf Nürnberg in der Zeit zwischen 1300 und 1600, auf seine damaligen Handelsbeziehungen und seine Bedeutung als intellektuelles Zentrum Europas. Sie beleuchtet, welche entscheidende Rolle die Stadt für die Entstehung globaler Netzwerke spielte.

 

Schlüsselfelder Tafelschiff, um 1503,   Leihgabe der Johann Carl von Schlüsselfelder'schen Familienstiftung .  Foto: Germanisches Nationalmuseum, Dirk Meßberger
Schlüsselfelder Tafelschiff, um 1503, Leihgabe der Johann Carl von Schlüsselfelder'schen Familienstiftung . Foto: Germanisches Nationalmuseum, Dirk Meßberger

Nürnberg global 1300 – 1600
25. Sept 2025 bis 22. März 2026

Im 14. und 15. Jahrhundert war Nürnberg bekannt für seine metallverarbeitenden Gewerbe, für kostbare Gold- und Silberschmiedearbeiten, aber auch serielle Massenwaren. Vertreter der Kirchen und bedeutende Herrscherhäuser in ganz Europa erwarben Monstranzen, Weihrauchgefäße oder seltene Luxusgüter wie in Gold montierte Kokosnüsse, Straußeneier oder Meeresschnecken. Neben den exquisiten Nürnberger Preziosen waren Waffen und Rüstungen ein gefragtes Exportgut. Doch exportierte die Reichsstadt vor allem Wissen: Wissen über künstlerische Fertigungstechniken, über die Beschaffenheit und Größe der Welt, über Vertriebswege, Rohstoffvorkommen und Waren, über moderne Bergbautechnik sowie über religiöse Bräuche und Kulturen ferner Länder. Motive nach Albrecht Dürer – neben Leonardo da Vinci einer der wenigen schon damals international bekannten Künstler – finden sich als Randzeichnungen in indischen Handschriften, sein berühmtes Nashorn zeigt ein Wandbild in Kolumbien.

Nürnberg war eines der großen Zentren Europas, in dem wichtige Handelsrouten zusammenkamen und in dem sich Handelsreisende, Abenteurer, Humanisten und wohlhabende Geschäftsleute, die als Finanziers viele Handelsexpeditionen unterstützten, begegneten. Hier traf europäisches Wissen auf Neuigkeiten aus Afrika, Asien und Amerika und verbreitete sich dank eines florierenden Verlagswesens in ganz Europa. Nicht zufällig entstand der älteste erhaltene Globus der Welt – der Behaim-Globus – in Nürnberg.

Die Globalisierung beförderte Reichtum und Wohlstand, aber nicht für alle: Nürnberger Geschäftsleute betrieben Minen in Übersee, beuteten die dort einheimische Bevölkerung aus, beteiligten sich am transatlantischen Versklavungshandel und der Kolonisierung Amerikas. Auch an der Ostküste Afrikas und in Indien führten sie zusammen mit den Portugiesen blutige Wirtschaftskriege.

Die hochkarätige Ausstellung zeigt Leihgaben aus aller Welt, die Nürnbergs entscheidende Rolle für das Zusammenwachsen der Welt und seine globale Vernetzung veranschaulichen und dabei die dunklen Seiten nicht ausblenden.

Vernetzte Welten. Globalisierung im Fokus
10. April bis 24. Aug 2025

Bereits ab April 2025 stimmt ein Ausstellungsprojekt auf das Thema Globalisierung ein. Rund 35 Objekte aus dem eigenen Bestand thematisieren Ambivalenzen und offenbaren unser eigenes, oft widersprüchliches Verhalten. Exponatpaare aus historischen und zeitgenössischen Objekten beleuchten Kontinuitäten und werfen Fragen auf: Jeans und T-Shirt als alltägliche Kleidungsstücke aus dem 20. Jahrhundert, oft in asiatischen Ländern gefertigt, stehen einem in chinesischem Stil bestickten Seidengewebe aus dem 18. Jahrhundert gegenüber. Welche Produktionswege haben Textilien hinter sich, bevor wir sie erwerben? Wo wurden die Stoffe – damals wie heute – gewebt, gefärbt, zugeschnitten und vertrieben? Einem arabischen Astrolab aus dem 14. Jahrhundert ist ein modernes, GPS-basiertes Navigationsgerät aus dem 21. Jahrhundert zur Seite gestellt. Beide dienen der Orientierung und ermöglich(t)en das Etablieren von Handels- und Reisewegen – und befördern damit unsere Konsumgewohnheiten.

Die ausgewählten Beispiele stellen die globale Perspektive unserer heutigen Welt in einen historischen Kontext. Partizipative Vermittlungsprogramme und ein digitales Angebot bieten die Möglichkeit, eigene Erfahrungen und Ansichten einzubringen.

Fastnacht. Tanz und Spiele in Nürnberg
11. Nov 2025 bis 15. Feb 2026

Das Jahr beschließt ein weiteres weltweit gefeiertes Phänomen: Ab dem 11.11. widmet sich eine Sonderausstellung der Fastnacht. Auch für die „fünfte Jahreszeit“ spielt Nürnberg eine bedeutende Rolle. Basierend auf fest im Kirchenjahr verankerten Bräuchen, entwickelte sich die Reichsstadt im Spätmittelalter zu einer deutschen Fastnachtshochburg. Schon im 15. Jahrhundert begingen die Nürnberger den sogenannten Schembartlauf (= Maskenlauf), bei dem die Teilnehmenden vermummt und in bunten Kostümen durch die Innenstadt zogen, „verkehrte Welt“ spielten und Naschereien verteilten. Innerhalb weniger Jahrzehnte verwandelte das Patriziat den Schembartlauf zu einem Prunkumzug mit Festwagen und immer aufwendigeren Verkleidungen – eine Idee, die auf andere Städte abfärbte.

Ausgangspunkt für die Ausstellung sind die kostbaren Schembartbücher, von denen heute noch 66 bekannt sind und sich 28 im Bestand der Bibliothek des Germanischen Nationalmuseums befinden. Sie entstanden zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert und beschreiben und illustrieren rückblickend diese Umzüge.

Auch der Karneval wird als globales Phänomen weltweit in interschiedlichsten Formen gefeiert. Und auch der Karneval polarisiert: Manche Verkleidungen gelten heute als rassistisch und wecken Widerspruch. Mit dem Jahresthema „global“ blickt das Germanische Nationalmuseum auf die wechselvolle Geschichte der Globalisierung zurück und eröffnet neue Perspektiven. Wer Globalisierung aus unterschiedlichen Blickwinkeln verstehen will, sollte 2025 ins Germanische Nationalmuseum kommen. Dank Vernetzung ist das problemlos möglich, noch immer führen die wichtigen Reiserouten nach oder über Nürnberg.


Das Germanische Nationalmuseum ist das größte kulturgeschichtliche Museum des deutschen Sprachraums. Seit seiner Gründung 1852 verbindet es Menschen und Kulturen über nationale Grenzen hinweg. Mit 1,4 Millionen Objekten erforscht und vermittelt das GNM einen bedeutenden Bestand des materiellen Kulturerbes Zentraleuropas. Es ist heute eines der acht Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft.