29.11.2024
(München/sos) - Wie verbringen Bewohner*innen einer Dorfgemeinschaft für Menschen mit Beeinträchtigung die Weihnachtszeit, worauf freuen sie sich und welche Rituale sind ihnen besonders wichtig? Anlässlich des Tages der Menschen mit Behinderung am 3. Dezember erzählen die Bewohner*innen Dirk, Annabell und Marcel sowie Betreuerin Christine, wie ihr Alltag in der Adventszeit aussieht und warum Weihnachten als Zeit der Erinnerung für sie besonders wertvoll ist.
SOS-Dorfgemeinschaft Hohenroth/Bayern: Raum für kleine Rituale
Für Dirk ist Weihnachten in Hohenroth die schönste Zeit des Jahres. Seit 44 Jahren lebt der gebürtige Krefelder in der Dorfgemeinschaft für Menschen mit Beeinträchtigung in Unterfranken. Die festliche Stimmung beginnt für ihn alljährlich Ende November, sobald er in der Kräutergärtnerei einen Adventskranz aus Tannenzweigen und Stroh bindet. Seinen Platz findet der Kranz anschließend im Wohnzimmer seines Wohnhauses im Zentrum des Dorfes. Nähert sich der Heilige Abend, schmückt Dirk mit den anderen sieben Bewohner*innen den Weihnachtsbaum: „Das ist eine Tradition, die ich richtig gerne mag,“ erzählt der 61-Jährige und lächelt glücklich. Im Haus wird dann alles festlich dekoriert, selbst die Fenster strahlen im weihnachtlichen Glanz. Diese ruhigen Momente im Haus sind für Dirk besonders wertvoll, sie bringen ihm Wärme und Geborgenheit. An Heiligabend gehört neben dem festlichen Abendessen die Stallweihnacht zum gemeinsamen Ritual in der Dorfgemeinschaft: Die Bewohner*innen versammeln sich gemeinsam mit den Tieren im Stall der Dorfgemeinschaft, es wird dunkel, jemand zündet eine Kerze an und leise Lieder klingen durch die Dunkelheit/Nacht. „Ich mag Musik und Gesang zu Weihnachten,“ sagt Dirk, der in Gedanken versunken den vertrauten Melodien lauscht. So genießt Dirk die Weihnachtszeit in Hohenroth – eine Zeit, die ihm Ruhe bringt, Raum für kleine Rituale und das Gefühl, genau am richtigen Ort zu sein.
Dorfgemeinschaft SOS-Hof Bockum/Niedersachsen: Erstes Weihnachtsfest als Ehepaar
Für Marcel und Annabell aus der Dorfgemeinschaft SOS-Hof Bockum in Niedersachsen geht mit der Advents- und Weihnachtszeit ein aufregendes Jahr zu Ende: Die beiden feiern ihr erstes Fest als Ehepaar, geheiratet und groß gefeiert wurde im September im Dorfgemeinschaftshaus. Umso mehr freuen sich die 31-Jährige und ihr 34-jähriger Mann, wenn an Weihnachten Besinnlichkeit einkehrt und Zeit bleibt, um gemütlich Freunde und Familie zu treffen. Bis dahin gilt es aber noch, viele Vorbereitungen zu treffen: So flechten Annabell und Marcel gemeinsam mit den anderen fünf Bewohner*innen ihres Hauses in der Dorfgemeinschaft einen Adventskranz, backen Plätzchen und freuen sich auf die Weihnachtsfeier der Hauseltern Isabelle und Jan: „Was genau sie vorhaben, verraten sie uns nicht, das ist immer eine Überraschung“, freut sich Marcel. Auch bei der Adventsfeier der gesamten Dorfgemeinschaft wird das Paar dabei sein. Heiligabend und die Weihnachtsfeiertage verlässt das Ehepaar für einige Tage die Dorfgemeinschaft, um mit Annabells Familie den Heiligen Abend zu feiern und die Erlebnisse des vergangenen Jahres nochmals aufleben zu lassen. Die Vorbereitungen zur Hochzeit haben die beiden so sehr gestärkt, dass sie schon weitere Pläne für ihre gemeinsame Zukunft haben – vielleicht feiern sie das nächste Weihnachtsfest schon in den eigenen vier Wänden.
SOS-Kinderdorf Vorpommern/Mecklenburg-Vorpommern: Weihnachten als Zeit des Erinnerns
„Wir haben vorweihnachtliche Rituale wie gemeinsames Basteln, das Schmücken unserer Räume und auch unseren Adventskalender befüllen wir“, erzählt Christine Helle-Koch, Betreuerin in der „Tagesgruppe“ des SOS-Kinderdorfes Vorpommern. Das Angebot richtet sich an Bewohner*innen mit Beeinträchtigungen der dortigen Wohngemeinschaft, die bereits das Rentenalter erreicht haben und nicht mehr in einer der Werkstätten arbeiten können. Eine besondere Tradition ist die selbstgestaltete Weihnachtspost für Angehörige. Christine Helle-Koch erklärt: „Die Weihnachtszeit ist für die älteren Menschen, die hierherkommen auch eine Zeit des Erinnerns: Woran denken die Bewohner*innen besonders, was wurde an Weihnachten gern gekocht oder gebacken? Diese teuren Erinnerungen der Bewohner*innen greifen wir auf und integrieren sie in den Alltag, indem wir beispielsweise die Lieblingsplätzchen aus der Kindheit gemeinsam nachbacken.“ Zu Weihnachten besinnen sich die Bewohner*innen bewusst auf positive Gedanken, indem sie den Adventskalender nicht nur mit Schokolade, sondern auch mit kleinen Glücksbotschaften befüllen: „Glücklich machen ist das höchste Glück! Aber auch dankbar empfangen können, ist ein Glück.“ So könnte das Motto lauten zum Weihnachtsfest in der SOS-Dorfgemeinschaft im hohen Norden.
Der SOS-Kinderdorf e.V.:
SOS-Kinderdorf bietet Kindern in Not ein Zuhause und hilft dabei, die soziale Situation benachteiligter junger Menschen und Familien zu verbessern. In SOS-Kinderdörfern wachsen Kinder, deren leibliche Eltern sich aus verschiedenen Gründen nicht um sie kümmern können, in einem familiären Umfeld auf. Sie erhalten Schutz und Geborgenheit und damit das Rüstzeug für ein gelingendes Leben. Der SOS-Kinderdorfverein begleitet Mütter, Väter oder Familien und ihre Kinder von Anfang an in Mütter- und Familienzentren. Er bietet Frühförderung in seinen Kinder- und Begegnungseinrichtungen. Jugendlichen steht er zur Seite mit offenen Angeboten, bietet ihnen aber auch ein Zuhause in Jugendwohngemeinschaften sowie Perspektiven in berufsbildenden Einrichtungen. Ebenso gehören zum SOS-Kinderdorf e.V. die Dorfgemeinschaften für Menschen mit geistigen und seelischen Beeinträchtigungen. In Deutschland helfen in 39 Einrichtungen insgesamt rund 5.200 Mitarbeitende. Der Verein erreicht und unterstützt mit seinen 830 Angeboten gut 123.000 Menschen in erschwerten Lebenslagen in Deutschland. Darüber hinaus ist der deutsche SOS-Kinderdorfverein in 110 Ländern aktiv und finanziert 433 Standorte in 19 Fokusländern über Patenschaften und Unterhaltszahlungen.
Mehr Informationen unter www.sos-kinderdorf.de
Autor: Gregor Staltmaier / SOS Kinderdorf; zusammengestellt von Gert Holle 29.11.2024