26.11.2024
Es ist nicht nur ein Problem
der Katholiken. Auch in der Evangelischen Kirche vergingen sich – fast nur – Amtsträger an Menschen, die ihnen vertrauten und anvertraut waren. Wie konnte es dazu kommen? Warum blieben die Täter
oft unbehelligt? Was erlebten die Opfer und was fühlen sie heute?
Diesen Fragen geht Ute Gause anhand des konkreten Falls eines Pfarrers, der über Jahrzehnte hinweg missbräuchliche Beziehungen zu meist jüngeren Frauen aus seinem jeweiligen gemeindlichen Umfeld
unterhielt, nach. Der Bericht basiert auf der Analyse von umfangreichem Archivmaterial. Er bekommt besondere Anschaulichkeit und Tiefe durch Interviews, die die Autorin mit betroffenen Frauen und
Personen aus deren Umfeld geführt hat.
Auf eindrucksvolle Weise macht dieses Buch in kirchengeschichtlicher Perspektive die Strukturen und Faktoren transparent, die Missbrauch in der Evangelischen Kirche ermöglichen. Zugleich gibt es
Betroffenen eine Stimme.
Dr. theol. Ute Gause, geb. 1962, ist Professorin für Reformation und Neuere Kirchengeschichte an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum. Sie hat zur Geschichte der Diakonie gearbeitet, forscht zur Reformation und insbesondere zur Rolle und Bedeutung von Frauen innerhalb der Kirchengeschichte. |
Ute Gause
„Gott habe ihm gesagt, er solle mich zur Frau machen“
PB, Broschur, 288 Seiten
ISBN: 978-3-579-07230-2
24,00 € (D), 24,70 € (A), CHF 33,50*, , ET: 06.11.2024,
Gütersloher Verlagshaus
Bereits veröffentliche Studien offenbaren schreckliche Zahlen von Missbrauchsfällen in der evangelischen Kirche, dabei über 1.200 Tatverdächtige – eine Zahl, die als „Spitze des Eisbergs“ vermutet wird. Hinter den Schlagzeilen „Sexueller Missbrauch in der Kirche“ „Amtsverletzung von kirchlichen Autoritäten“ stehen Einzelschicksale.
„Gott habe ihm gesagt, er solle mich zur Frau machen“ von Ute Gause
Sexueller Missbrauch in kirchlichen Strukturen – ein Thema, das uns alle betrifft, unabhängig von Alter, Glauben oder Konfession. In ihrem neuen Buch beleuchtet Dr. Ute Gause ein erschütterndes Kapitel aus der Evangelischen Kirche: Den Missbrauch von Macht und Vertrauen durch einen Pfarrer, der über Jahrzehnte hinweg junge Frauen aus seinem Gemeindekreis manipulierte und ausnutzte.
Warum dieses Buch?
Für viele Menschen – insbesondere junge Erwachsene – hat die Kirche eine ambivalente Bedeutung: Sie ist eine moralische Instanz, ein Raum der Spiritualität, aber auch eine Institution, die in den letzten Jahren durch zahlreiche Missbrauchsskandale erschüttert wurde. Ute Gause zeigt in ihrer eindringlichen Studie, wie sich hinter dem Anschein von Autorität und Charisma Machtstrukturen verbergen können, die nicht hinterfragt werden – oft mit fatalen Konsequenzen für die Opfer.
Die Abgründe: Machtmissbrauch und spirituelle Gewalt
Das Buch eröffnet einen tiefen Einblick in die Dynamiken, die sexuellen Missbrauch in der Kirche ermöglicht haben: von der Autorität des Pfarrers über theologische Narrative bis hin zum Schweigen der Institution. Besonders eindrücklich ist, wie Gause das Zusammenspiel von persönlicher Macht, charismatischer Frömmigkeit und einer fehlenden Kultur des Hinschauens analysiert. Der Täter nutzte seine Position nicht nur, um Nähe und Vertrauen zu erzwingen, sondern rechtfertigte seine Übergriffe mit spirituellen Aussagen wie „Gott habe ihm gesagt …“.
Ein besonders wichtiger Aspekt, den Gause betont, ist der „spirituelle Missbrauch“ – eine kaum erforschte Form der Gewalt, bei der religiöse Konzepte gezielt zur Manipulation und Unterwerfung missbraucht werden. Dies eröffnet der Leserschaft neue Perspektiven auf die dunklen Seiten von Religion und zeigt, wie dünn die Grenze zwischen Heil und Zerstörung sein kann, wenn Macht unkontrolliert bleibt.
Was nimmt die Leserschaft mit?
Dieses Buch ist mehr als eine Anklage – es ist ein Appell und zugleich ein Aufruf zur Aufarbeitung innerhalb der kirchlichen Institutionen. Ute Gause verleiht den Betroffenen eine Stimme und gibt ihnen die Würde zurück, die ihnen durch Missbrauch genommen wurde. Die Leser*innen erfahren, wie wichtig es ist, institutionelle Strukturen kritisch zu hinterfragen und Machtmissbrauch konsequent aufzudecken. Gleichzeitig bietet das Buch eine historische Einordnung, die hilft, die Bedingungen zu verstehen, unter denen solche Vergehen möglich wurden.
Besonders junge Erwachsene können aus dieser Lektüre lernen, die Mechanismen von Abhängigkeit und Manipulation zu erkennen – nicht nur in religiösen Kontexten, sondern überall dort, wo Macht und Vertrauen aufeinandertreffen.
Warum sollte man das Buch lesen?
Weil es mutig und ehrlich aufzeigt, wie Missbrauch in einem System stattfinden konnte, das eigentlich auf Nächstenliebe und Vertrauen basiert. Weil es ein Verständnis dafür schafft, wie tief die Wunden solcher Taten reichen – und wie wichtig es ist, diese Wunden sichtbar zu machen, um Heilung und Veränderung zu ermöglichen.
„Gott habe ihm gesagt, er solle mich zur Frau machen“ ist keine leichte Lektüre, aber eine notwendige. Es sensibilisiert für den Umgang mit Macht und Verantwortung und ruft dazu auf, sich als Gesellschaft, aber auch als Einzelne, mit den Abgründen zu konfrontieren – für eine Zukunft, in der solche Taten verhindert werden können. - Gert Holle, Herausgeber und leitender Redakteur von "WIR IM NETZ - Kultur und Glaube Aktuell" / www.wirimnetz.net .
Autor: Gütersloher Verlagshaus; zusammengestellt von Gert Holle - 26.11.2024