Die Andacht zum Wochenspruch – von Manfred Günther in den 90er Jahren
verfasst – gelesen von Gert Holle
Wochenspruch zur Woche nach dem So. "Sexagesimä":
Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstockt eure Herzen
nicht. (Hebr. 3,15)
Ob uns das heute wirklich geschieht: Dass wir seine Stimme hören? Dann
wäre dieser Tag vielleicht der Tag unseres Lebens!
Dann finge heute für uns noch einmal alles an. Dann käme heute neuer Sinn, neue Fülle in unsere Zeit!
Wie könnte seine Stimme klingen? Wie die unseres Nachbarn, wenn der uns so anspricht: "lch bin momentan in ziemlichen Schwierigkeiten! Ich müsste einmal mit jemandem reden. Ich weiß irgendwie nicht mehr weiter."
Könnte das seine Stimme sein, wenn uns ein ganz fremder Mensch begegnet und uns bittet: "Würden Sie mir wohl helfen, ich habe hier im Ort niemanden. Hätten Sie eine Viertelstunde Zeit?"
Könnte unser Kollege wohl seine Stimme haben: "Mein Sohn ist augenblicklich in einem schlimmen Alter! Wir verstehen uns einfach nicht mehr. Kaum wechseln wir ein Wort, dann ist schon der Krach da. Dein Junge ist doch auch etwa so alt. Wie machst du das denn mit ihm?"
Ob seine Stimme vielleicht sogar unhörbar spricht? Wenn unser Ehepartner uns so lange anschaut und wir ahnen, was er fragen möchte. Wenn unser Kind vor Kummer leise weint. Wenn unserer Mutter die Sorge im Gesicht geschrieben steht. Wenn der Vater irgendetwas mit sich herumschleppt... Ob das alles seine Stimme sein kann?
Wir erwarten ihn und sein Wort, mit dem er uns anspricht, ja meist ganz
anders. Doch nicht in irgendeinem Mitmenschen! Doch nicht so fragend oder gar bittend! Mir fällt da die kleine Geschichte von der Frau ein, die auf ihren "lieben Herrn" wartet:
Sie hat von Jesus geträumt. Er hat ihr im Traum gesagt, dass er sie besuchen werde. Nun putzt die Frau ihr Haus und richtet alles für ihren "lieben Herrn".
Über Tag kommt nun ein Bettler, der um ein Essen bittet. Sie schickt ihn
weg, weil sie doch auf ihren "lieben Herrn" wartet. Dann kommt ein altes Weib, das sich ein Stündchen bei ihr wärmen will. Auch sie wird hinausgewiesen, denn der "liebe Herr" kann jede Minute
kommen. Zuletzt erscheint ein alter, gebrechlicher Mann, der eine kleine Hilfe von ihr fordert. Auch er muss rasch wieder gehen: Der "liebe Herr" hat doch seine Ankunft angekündigt!
Abends ist die Frau ganz traurig. Niemand hat sie besucht. Der "liebe Herr" ist ausgeblieben. Als sie sich zu Bett gelegt hat, träumt sie wieder von Jesus. Er sagt: Dreimal war ich heute bei dir.
Dreimal hast du mich weggeschickt!"
Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstocket eure Herzen nicht! Ich bin ganz sicher, dass er auch bei uns schon angeklopft hat. Ich bin überzeugt, dass wir seine Stimme schon sehr oft vernommen haben. Nur erkannt haben wir ihn nicht. Und hören wollten wir auch nicht. Dabei wäre es gut, auf seine Stimme zu achten. Wir würden dabei so viel Sinn erfahren, soviel Freude. Denn es macht Freude, einem Mitmenschen zu helfen. Es ist gut, ein Ohr für die Not des anderen zu haben, die kleine Zeit für den Fremden zu opfern, eine Erfahrung, einen Rat weiterzugeben, den bittenden Blick zu sehen und alles zu tun, was seine Stimme uns heißt. Das kann, das wird uns selbst sehr viel schenken.
Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet... Wollen wir nicht einmal darauf gefasst sein, dass es wirklich heute geschieht? Was wäre dieser Tag dann für ein Tag! Alles finge noch einmal an!
Verstocken wir unser Herz nicht! Wollen wir uns einmal sagen lassen: Ich habe dich so oft angesprochen, du hast nicht gehört? Wollen wir dem Mitmenschen nicht einer werden, den er fragen, bitten und brauchen kann? Noch heute käme Fülle und Sinn in unsere Zeit!
Übrigens: Ich weiß nicht mehr den Schluss von der Geschichte mit der Frau, die auf ihren "lieben Herrn" gewartet hatte. Ob der "liebe Herr" doch noch einmal kam? Ob er sie nun nicht mehr besucht?
Ob wir seine Stimme auch morgen noch hören werden? Ob er uns immer wieder anspricht?
Autor: Manfred Günther, gelesen von Gert Holle - 17.02.2024