11.12.2024
(Langenleiten/POW) - Der Geruch von Holz und Farbe steigt einem sofort in die Nase, wenn man die Werkstatt von Günter Metz in Langenleiten (Landkreis Rhön-Grabfeld) betritt. Der 82-Jährige betreibt seit über 60 Jahren Handarbeit mit Tradition: die Krippenbaukunst. Er schnitzt Weihnachtskrippen und Heiligenfiguren aus Lindenholz, Kiefer oder Eiche. „Bosnische Linde eignet sich am besten“, sagt er und nimmt einen Schäfer, an dem gerade arbeitet, zur Hand. Er zeigt auf die Unterseite der Holzfigur und erklärt, wie man das Alter des Baumes anhand der Jahresringe ablesen kann. „Die dunklen Ringe stehen für den Winter, die hellen für den Sommer. Zählt man die dunklen Ringe, erhält man das Alter des Baumes.“
In seinem Beruf gibt es keine Hochsaison. Obwohl Krippen bekanntlich zu Weihnachten aufgebaut werden, hat Metz das ganze Jahr über Aufträge. Dadurch, dass alle Figuren handgefertigt sind, kann es bis zu einem Jahr Lieferzeit kommen. „Für eine Krippenfigur mit 23 Zentimetern brauche ich je nach Tagesform zirka zwei bis drei Tage. Das ist allein für das Holz.“ Danach bemalt seine Frau Anni die Figuren. „Meine Frau ist meisterhaft darin. Es gibt keinen, der es so gut kann wie sie. Wir sind ein gutes Team geworden über die Jahre.“ Seine Frau arbeitete als Bankkauffrau, bevor sie in den 1990er Jahren anfing, die Figuren zu bemalen, zu lasieren und zu vergolden.
Das Können von Metz hat sich über die Jahre herumgesprochen. „Ich habe noch keinen Cent für Werbung ausgegeben“, erzählt er. Es seien einfach immer Aufträge reingekommen. „Die Leute kommen aus allen Himmelsrichtungen.“ Seine Figuren stünden überall in Deutschland, zum Beispiel in Fulda, Mainz oder Osnabrück. Aber er habe auch schon Figuren nach Schweden geschickt und einen heiligen Urban in die USA verschifft.
Die Holzschnitzerei sei sein Traumberuf. Sein Großvater betrieb eine Schreinerei, und schon in seiner Kindheit habe er den Geruch von frisch bearbeitetem Holz geliebt. Mit der Schule sei er dann zum ersten Mal in der Holzschnitzschule in Bischofsheim gewesen. „Mein Lehrer hatte ein gutes Gespür für die Talente seiner Schüler. Er sagte: ,Das wäre doch was für dich, Günter‘ – und mein Interesse war geweckt.“ Ab dem 1. Dezember 1956 radelte Metz täglich 15 Kilometer nach Bischofsheim. „Ohne Gangschaltung“, wie er betont.
Jetzt sitzt Metz an seiner Werkbank und schnitzt am Ohr des Schäfers. „Wer keine Ohren und keine Hände schnitzen kann, der taugt nichts“, sagt er und lacht. Diesen Spruch habe der Leiter einer großen Bildhauerei in München immer gesagt, bei der er nach seinem Abschluss arbeitete. Er bekam das Angebot, bei der Wiederherstellung der zerstörten Münchener Residenz mitzuwirken und dort längerfristig zu bleiben. Er entschied sich jedoch für das freie, kreative Arbeiten und eröffnete in Langenleiten seine eigene Bildhauerwerkstatt. „Ich war der jüngste Meister Bayerns“, erzählt er voll Stolz. „Seine Meisterprüfung konnte man damals erst mit 24 Jahren machen. Für die Eröffnung der Werkstätte bekam ich eine Ausnahmegenehmigung. Ich war erst 21.“ Was ein guter Bildhauer brauche, seien genaue Beobachtung, Zeichnungen und eine gute Umsetzung. „Man braucht acht bis zehn Jahre, bis man gut ist. Ein Großteil ist Fleiß, nur Talent reicht nicht aus. Man muss auch mit sich selbst zufrieden sein. Ich war nie ganz zufrieden.“
Die sorgfältig aufgereihten Schnitzmesser in verschiedenen Größen und Formen auf seiner Werkbank zeugen von der präzisen Arbeit, die das Handwerk erfordert. Ob er sich schon einmal geschnitten hat? Metz zieht wortlos die Schublade unter der Werkbank heraus. Darin befinden sich Pflaster. Dann zeigt er seine rechte Hand, an deren Zeigefinger eine Fingerkuppe fehlt. „Da habe ich nicht gut aufgepasst. Mein Sohn war vier Jahre alt und wollte, dass ich ihm ein Schwert schnitze. Dabei ist ein Stück von meinem Finger in der Hobelmaschine steckengeblieben.“
Seinen Sohn Klaus, der mittlerweile 56 Jahre alt ist, beschreibt Metz als „großes Talent“. Er ging von 1984 bis 1987 bei ihm in die Lehre und wurde später Bundessieger im Holzbildhauerhandwerk. Er studierte an der Kunstakademie in Nürnberg und arbeitet heute unter einem Dach mit seinem Vater. Metz schätzt den Austausch mit seinem Sohn. Sie würden sich gegenseitig zu Rate ziehen und gäben sich sowohl Lob als auch Kritik. Sein Sohn ist der einzige, den Metz in all den Jahren ausgebildet hat: „Es gibt kaum mehr Menschen, die sich für den Beruf interessieren.“
Neben der Werkbank und den Figuren steht auch eine andere Leidenschaft von Metz in der Werkstatt: sein Akkordeon. Das Knopfakkordeon spiele er jeden Tag, weil die Musik ihm Freude bringe.
Was Metz in seiner Werkstatt produziert, wird in einer Ausstellung im vorderen Teil des Hauses präsentiert. Dort finden sich wahre Schätze aus seiner Arbeit der vergangenen 67 Jahre. Auch seine allererste Krippe, die er mit 15 Jahren gemacht hat. „Sie ist unverkäuflich“, sagt er, während er zwischen den kleineren und großen Krippen, Marienfiguren, Engeln und Tieren steht, die er alle in der Vergangenheit geschnitzt hat. In den einzelnen Figuren können Personen aus dem echten Leben erkannt werden. „Das macht meine Figuren aus, dass sie einem jeden Tag auf der Straße begegnen können.“ Da ist zum Beispiel die Figur des Rhönschäfers, der früher die Schafe im Ort gehütet hat. „Er hat sie morgens abgeholt und abends wieder zurückgebracht. Er war ein Original. Wie er nach seinem Hund rief und wie er leicht gebückt umherlief. Das ist mir in Erinnerung geblieben.“ Auch andere Bilder aus seiner Kindheit und Jugend sind im Holz verewigt. Zwischen den Figuren befindet sich auch ein Junge mit einem Kalb. „Die Buben mussten damals die Kälber auf die Waage bringen, bevor sie verkauft wurden“; erinnert er sich, während er die Figur in seinen Händen hält.
Neben den Figuren der Rhöner Leute sind auch die Gesichtszüge seiner eigenen Familienmitglieder in den Krippenfiguren zu erkennen. Sein Enkel Kilian stand beispielsweise als Baby Modell für eine Figur des Jesuskinds. Auch seine Lieblingsfigur stammt aus dem eigenen Familienkreis. Es ist die Oma seiner Frau, deren Enkel sich hinter ihr versteckt. Von seinen Kunden nimmt Metz ebenfalls Porträtaufträge an. Wenn er gute Fotos bekommt, reproduziert er daraus ihre Gesichter. „Ein guter Holzschnitzer kann nach Fotos arbeiten“, sagt er.
Die beliebtesten Figuren sind nach wie vor die Heilige Familie. Maria wird bei ihm immer als junges Mädchen dargestellt, Josef als junger Mann. Die Figuren variieren in ihrer Größe. Seine größten Holzfiguren waren eine 2,40 Meter große Madonna für eine Pfarrei in der Schweiz und ein 2,60 Meter großer heiliger Andreas für die Diözese Mainz. Viele seiner Krippen finden sich auch in der Region wieder. Auf dem Kreuzberg baut er jedes Jahr selbst die Krippe in der Klosterkirche auf, gemeinsam mit seiner Familie. „Solange es noch geht, mache ich das. So gefällt es mir am besten“, sagt Metz. Die Krippe bleibt in der Weihnachtszeit in Bewegung. Die schwangere Maria wird vor Heiligabend ausgetauscht, der Wirt aus der Herbergsszene wird weggenommen und die Heiligen Drei Könige kommen später hinzu. Auch die Kirche in Langenleiten trägt seine Handschrift. Der Kreuzweg, der Altar und der Ambo sind in seiner Werkstatt entstanden.
Einen persönlichen Bezug zum Glauben hat Metz durch seine katholische Erziehung. Er hat sich sein Leben lang ehrenamtlich engagiert. Nicht nur als Feuerwehrkommandant, sondern auch als Mitglied der Kirchenverwaltung und des Pfarrgemeinderats. Seine Tochter Petra arbeitet als Gemeindereferentin in der Diözese.
An Ruhestand denkt Metz noch lange nicht. Dafür habe er zu viele Ideen, die er noch umsetzen wolle. Er spricht von einem „inneren Antrieb“, wenn er künstlerisch gestalten kann. „Ich höre erst auf, wenn es nicht mehr geht.“
Judith Reinders (POW)