Von Stefan
Diese Woche haben wir, wie bereits auf der Bieterrunde im März angekündigt, ein sog. "Vielfachgerät" für Pferde erworben. Damit haben wir nun ein Gerät vorliegen, mit dem wir viele grundlegende Arbeiten auf dem Acker erledigen können, wie z.B. das hacken, das ziehen von Dämmen, striegeln u.a. Dadurch können wir dieses Jahr den Versuch wagen, zumindest einen Teil der Kartoffeln mit dem Pferd anzubauen (Wer dabei sein will: das diesjährige Kartoffelsetzen ist für übernächste Woche, KW18 angepeilt, nähere Infos dazu folgen aber über die üblichen Kanäle!).
In diesem Zusammenhang wollte ich mit Euch noch ein paar Hintergründe zum Thema Pferde teilen, sowohl mein persönliches Motiv dahinter, aber auch der aktuelle wissenschaftliche Stand, warum Pferde u.U. sehr viel Sinn machen können.
Kürzlich fragte mich meine Tante auf einem Familientreffen: „Ich habe gehört, dass du mit Pferden auf dem Acker arbeiten willst... Das ist ja sehr interessant, ... aber ist das nicht ein Rückschritt? Heute sind wir doch schon viel weiter, das brauchen wir doch alles gar nicht mehr“. Im ersten Moment war ich etwas verwirrt. Auf der einen Seite konnte ich ihre Frage total gut verstehen: na klar, wir haben Traktoren, die uns so viel Arbeit abnehmen, seitdem ist Landwirtschaft nicht mehr so „hart“, wie es früher einmal war... Und die Technik, die entwickelt sich ja auch immer weiter, wahrscheinlich müssen wir in Zukunft selber gar nichts mehr auf dem Feld arbeiten, das übernehmen dann komplett die KI-gesteuerten Agrar-Bots für uns. Auf der anderen Seite merkte ich aber auch, dass meine Motivation, mit dem Pferd auf dem Acker arbeiten zu wollen, aus einer ganz anderen Richtung kam, die ich ihr aber nur schwerlich erklären konnte.
Was war das? Wieso wollte ich das eigentlich? Ich erinnere mich, dass ich ihr in einer schnellen Antwort, mit der sie gefühlt nicht viel anfangen konnte, folgendes sagte: Es ist für mich ein ganz großer Unterschied, wenn ich mit einer lärmenden, schweren Maschine über den Acker fahre, wo ich kaum mitbekomme, was da im Boden passiert, oder ob ich, in Zusammenarbeit mit einem anderen Lebewesen den Acker bestelle. Da spüre ich den Boden unter mir, höre, welche Geräusche er beim Bearbeiten von sich gibt und lass das Gerät von einem Tier ziehen, das seine gesamte Kraft einfach durch das Fressen von Heu und Gras bekommt.
Was zieht mich aber nun zur Pferdearbeit? Wenn ich etwas zurückdenke, muss ich an meine Zeit in Laos denken. Dort war ich zeitweise weit draußen in der Provinz in Dörfern unterwegs, wo Menschen noch so lebten, wie Menschen eigentlich schon immer, seit der Sesshaftwerdung, gelebt hatten. So, wie wir heute im globalen Norden leben, ist im Vergleich zur Menschheitsgeschichte nur ein kurzes Augenzwinkern. Es machte einen unheimlichen Eindruck auf mich zu sehen, wie Menschen, die aus der modern-westlichen Perspektive im UN-Ranking als „arm“ bezeichnet werden würden, ein selbstbestimmtes, autarkes Leben führten, und das mit einfachsten Mitteln. Eine der eindrücklichsten Momente war zu sehen, wie die Reisfelder mit dem Büffel gepflügt wurden. Ja, zu sehen, wie der Büffel ein zentrales Element im gesamten landwirtschaftlichen Geschehen war.
Aber zurück nach Deutschland, nach Wallernhausen: inspiriert aus dem fernen Osten machte mich hier also schon früh auf die Suche nach Hinterlassenschaften der alten Landbaukultur in unseren Breiten, die wir ja erst seit gar nicht so langer Zeit verlassen hatten. So stieß ich früh auf die Pferdearbeit und besuchte Orte, an denen diese noch praktiziert wird. Und wieder kam beim Mithelfen beim zweispännigen Pflügen oder bei der Getreideernte mit dem Mähbinder und dem darauf folgenden Garben-Aufstellen auf einem Hof bei Schlitz (s. Bilder unten) dieses Gefühl auf, dass hier nicht die Vergangenheit, sondern womöglich eine Zukunft liegt.
Das ist schwer zu erklären. Denn, wie oft habe ich nicht sagen hören: „Wir können das Rad nicht zurück drehen“. Ja klar, das können wir nicht. Aber heißt das denn auch, dass wir eine der bewährtesten Techniken, die die Menschen über Jahrhunderte ernährte, nicht wieder aufgreifen dürfen und schauen können, ob sie uns nicht doch auf dem Weg in die Zukunft begleiten könnte? Das mag, wie für meine Tante, befremdlich klingen. Für jemanden, der die große Abhängigkeit und Verletzlichkeit einer Agrarwirtschaft sieht, die ausschließlich auf importierter Energie, industrieller Nährstoffe, hochkomplizierter, KI-gesteuerter Software selbstfahrender Agro-Roboter sieht, kann dies aber durchaus einen Sinn ergeben.
Hier jetzt aber mal, bevor ich mich zu weit aus dem Fenster lehne und das Gefühl aufkommen könnte, ich sei ein Romantiker (bin ich das?), ein paar Facts über die Pferde auf dem Acker:
- geringere Bodenverdichtung (punktuelle Verdichtungen der Pferdehufe regenerieren sich wesentlich schneller als die flächenhafte Verdichtung durch Traktorreifen)
- Dadurch signifikante Verbesserung der Bodenfunktionen durch Zugpferdeeinsatz (z.B. Luftporen, Wasserhaltevermögen) innerhalb von 3 Jahren
- Langfristig steigende Ertragswerte durch Bodenverbesserung
- Sinkender Kraftstoffverbrauch, steigende Unabhängigkeit von Rohöl
- Die Leistungsdaten der Pferde passen gut zu kleinflächiger Bewirtschaftung (-> Gemüsebau!)
- Nachteil: erhöhte Lohnkosten, die aber zum Teil durch geringere Traktorkosten abgedeckt werden können
Quellen: Klaus Strüber (https://www.klaus-strueber.de/humussphaere); Schroeter 2011; Humussphäre 2013
Durch die Tatsache, dass wir auf dem Bunten Acker auf einer kleinen Fläche hochwertiges Gemüse anbauen ist der Einsatz von Zugpferd(en) prädestiniert. Hinzu kommt, dass wir, zumindest bis jetzt, nicht extra ein Pferd anschaffen müssen, sondern dieses schon zur Verfügung steht. Wie aber oben schon angedeutet, geht es ja nicht darum, wieder ganz zum Alten zurückzukehren, sondern vielmehr in Kombination mit modernen Techniken (darunter auch Traktoreinsatz, wo nötig) kombinieren und so eine größere Unabhängigkeit und Autarkie von Energie und industriellen Großstrukturen zu gewinnen. Denn ich bin davon überzeugt: je mehr Verantwortung wir für unsere eigene Nahrungsmittelproduktion übernehmen, umso resilienter und überlebensfähiger ist sie.
Unten eine kleine Gallerie von Bildern, die ich in den letzten zwei Jahren v.a. auf einem Pferdehof bei Schlitz machen konnte. Sie geben einen kleinen Eindruck von der Lebendigkeit und den Möglichkeiten der Pferdearbeit auf dem Acker.