Die Andacht zum Wochenspruch - Von Manfred Günther, gelesen von Gert Holle
Wie von selbst setzen wir in Gedanken diesen Vers fort: »...dass der auch seinen Bruder liebe...und seinen Bruder wie sich selbst!« Jetzt haben wir den Dreiklang der Liebe zusammen. Da geht nicht eins ohne das andere. Da ist eins vom anderen abhängig: Gottesliebe zeigt sich in deiner Liebe zum Bruder. Deinen Bruder aber kannst du nur lieben, wenn du dich selbst liebst und dich annehmen kannst, so wie du bist - und wie auch Gott ja zu dir sagt. So schließt sich der Kreis der Liebe, und nur so.
Warum aber fehlt in unserem Wochenspruch die »Liebe zu sich selbst«? Ist sie etwa weniger wichtig? Geht's vielleicht doch ohne sie? Ich glaube nicht! Aber vielleicht möchte dieser Vers uns auf etwas aufmerksam machen? Können wir das nicht schon recht gut: uns selbst lieben? Wird es nicht bei vielen von uns höchste Zeit, dass sie einmal das andere in den Blick bekommen - und vor allem, dass sie es tun: nämlich Gott und den Bruder lieben!
Was erkennen sie hinter der Jagd so vieler Zeitgenossen nach Geld, Gutem, Haus, Auto, Urlaub und all den anderen Dingen zum Kaufen? Ist das nicht die »reine« Selbstliebe?
Der Rückzug ins Private, den heute so viele Menschen antreten, was ist das anderes als Selbstliebe?
Das Karrieredenken, der Gebrauch der Ellenbogen, das Streben nach Macht und Einfluss, das Ausspielen von Beziehungen...nichts als Eigenliebe!
Und sogar hinter dem frommen Dünkel mancher Leute, hinter dem scheinbar selbstlosen Einsatz für das Seelenheil der Mitmenschen, verbirgt sich oft genug die blanke Eigenliebe.
Dass wir uns recht verstehen: Es geht nicht ohne diese Liebe zu sich selbst! Aber es geht auch nicht ohne die Liebe zu Gott und dem Bruder. Es wird darum auf das Gewicht ankommen, das wir jedem Teil der Liebe mit unserem Leben geben.
Prüfen wir doch einmal, wie gewichtig die Selbstliebe bei uns ist. Lässt sie noch Raum für den Nächsten, für Gott? Machen wir uns nichts vor! Es gibt ja keinen Sinn, sich selbst täuschen zu wollen.
Gehen wir doch jetzt einmal probeweise von der Gottesliebe aus, vielleicht wird dann etwas deutlich: Lieben wir Gott? Sehen wir alle seine Gaben an uns? Allein das Geschenk der Gesundheit - begreifen wir, dass es auch anders sein könnte? All die anderen Gaben und Begabungen, die wir haben: Unsere Wohnung - wie viele sind ohne Obdach, unsere Kleidung - Millionen leben im Elend, unsere Nahrung - die halbe Menschenfamilie hungert, unsere Talente, unser Können, unsere unverwechselbaren Eigenschaften... Danken wir unserem Gott dafür? Lieben wir ihn?
Und nun denken wir einmal von der Nächstenliebe her: Ist der Nachbar, den ich seit Jahr und Tag nicht mehr grüße, nicht auch Gottes geliebter Mensch? Ist er nicht Gottes Kind wie ich auch? Ist nicht auch Jesus Christus für ihn - wie für mich - gestorben? War nicht dieser Nachbar dem Herrn der Christen genauso viel wert? Da sollte ich ihn nun schneiden und meiden? Da meine ich nun ein Recht zu haben, ihm sein Glück zu missgönnen, ihm Böses zu wünschen und mich zu freuen, wenn ihm etwas schiefgeht? Liebe ich meinen Nächsten? (Halt, bleiben wir bitte bei diesem Nachbarn! Den anderen lieben, mit dem ich gut Freund bin, das kann jeder!)
Ich denke, es hat schon einen guten Sinn, dass uns dieser Vers einmal nur zwei Weisen der christlichen Liebe ins Gedächtnis ruft: Dies Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, dass der auch seinen Bruder liebe. Das dritte, die Selbstliebe, müssen wir meist nicht mehr lernen. Die können wir schon recht gut.
Ob nicht auch die Reihenfolge, die jetzt entsteht, etwas sagen will? Wer Gott liebt, soll auch seinen Bruder lieben - und den wie sich selbst.
Autor: Manfred Günther; gelesen von Gert Holle - 28.09.2024