Die Andacht zum Wochenspruch zum Wochenspruch – Von Manfred Günther verfasst, gelesen von Gert Holle
Wochenspruch zur Woche nach dem 17. Sonntag nach dem Trinitatisfest:
Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. (1. Joh. 5,4c)
Heute gibt es Antworten - aber haben wir denn danach gefragt? »Der Glaube ist ein Sieg; dieser Sieg hat die Welt überwunden.« Und wie von selbst ergibt sich noch eine Antwort: »Im Glauben sind wir schon über diese Welt hinaus!« Da wollen wir jetzt aber doch einmal fragen: Ist das so? Haben wir als gläubige Menschen mit dieser (schnöden) Welt nichts mehr zu tun? Lohnt sich unser Einsatz für die Schöpfung und die Menschen nicht mehr? Dürfen wir die Hände in den Schoß legen, weil sich die Arbeit für diese vergängliche Welt ja doch nicht mehr auszahlt.
Einige Christen haben sich so entschieden: Sie fliehen aus der Welt und ihrer Verantwortung. Mit Gruppen, die sich für den Umweltschutz engagieren, haben sie nichts zu tun. Mit Bürgerinitiativen, die sich oft verzweifelt gegen die Zerstörung der guten Schöpfung wehren, wollen sie nichts zu schaffen haben. Friedensarbeit, politisches Handeln, Aufstand gegen die Rassendiskriminierung etwa in Südafrika - nicht ihre Sache! Sie gehören ja schon in die neue Welt Gottes. Sie haben diese Erde und ihre Probleme ja schon hinter sich. Ihr Glaube hat diese Welt längst überwunden. Und ihr »Friede« verwirklicht sich auch nicht in dieser Zeit - ihr Friede ist Christus; er ist allerdings für sie ein Friede, der ihnen erlaubt, sich bequem im Sessel dieser Welt zurückzulehnen und zu sprechen: Wir haben mit alledem nichts mehr am Hut; wir sind darüber weg!
Ist unser Glaube solch ein Sieg?
Ich bin Gott von Herzen dankbar, dass ich auch andere Christen kenne! Die mühen sich seit Jahr und Tag in einer Aufgabe, die sie irgendwann einmal als ihre erkannt haben: Vielleicht demonstrieren sie unter großem Einsatz an Zeit und Geld gegen die Rüstung in Ost und West? Vielleicht bringen sie viel Kraft und gute Ideen in die Verwirklichung eines Umwelt-Projektes ein? Vielleicht bemühen sie sich auch in ihrer Kirche darum, Ausländerfeindlichkeit abzubauen oder eine Arbeitslosen-Selbsthilfe zu organisieren. In jedem Fall aber bleiben sie bei dieser Welt und ihren Problemen. Sie flüchten sich nicht in die neue Welt Gottes, die uns verheißen ist, sondern sie halten in dieser vergehenden Schöpfung aus, solange Gott ihr noch Zeit zumisst. Und das Wichtigste: Sie geben diese Welt nicht auf, weil Gott sie noch nicht aufgegeben hat! Ja, sie arbeiten oft unter größten persönlichen Opfern daran, diese Welt ein wenig mehr nach Gottes Plan und Willen zu gestalten.
So seltsam das jetzt klingt: Auch diese Christen haben einen Glauben, der »die Welt überwunden hat«! Nur kommt ihr gläubiges Nachdenken zu einem anderen Ergebnis: Wenn auf uns Christen einmal eine neue herrliche Welt Gottes wartet, dann können wir uns umso zuversichtlicher, furchtloser und vor allem dankbarer den Aufgaben dieser Erde und ihrer Menschen zuwenden. Das ist beileibe keine Vergeudung von Kräften! Das ist nicht unnütz oder sinnlos! Der Herr, nach dem die Christen heißen, hat sich immerhin auch in dieser Welt und an diese Welt und ihre Menschen vergeudet. Kann es also falsch sein oder ohne Sinn, wenn Christen - in der Nachfolge ihres Herrn - bei der Welt und ihren Aufgaben bleiben? Kann der »Sieg des Glaubens« heißen, mit dieser Zeit und ihrem besonderen Auftrag habe ich nichts zu schaffen? Darf der Glaube, der die Welt überwunden hat, aus der Welt entfliehen? Gibt nicht gerade dieser Glaube die Kraft und die Hoffnung, dass wir dieser Welt treu bleiben und den Menschen dienen können?