Mit viel Herzblut und großem Engagement haben Ehrenamtliche aus Heidenburg ihr Pfarrhaus zu einem neuen sozialen Dorfmittelpunkt gemacht.
20.12.2024
Von Simone Bastreri
(Heidenburg/sb)– In Zeiten zurückgehender Gläubigenzahlen bleiben nicht nur viele Gotteshäuser leer, in den Kirchengemeinden sind auch andere Immobilien wie Pfarrhäuser betroffen. Doch das kleine Dorf Heidenburg zwischen Mosel und Hochwald macht beispielhaft vor, wie mit viel Herzblut und Engagement ihr Pfarrhaus zu einem neuen sozialen Dorfmittelpunkt werden konnte.
Freitagvormittag, zehn Uhr. Eine Kundin steht an der Bäckertheke des kleinen Dorfladens in Heidenburg direkt neben der Kirche und bestellt frische Brötchen und ein Croissant. Auch ein Heißgetränk zum Mitnehmen darf es sein. Es duftet nach Gebäck und frisch gebrühtem Kaffee. Neben der Kasse steht ein Ständer mit Zeitschriften und einer bekannten Boulevardzeitung, davor ein großer Korbständer mit Nudeln und Eiern. In den Regalen findet sich von Honig über Konserven und Klopapier bis hin zu knackigem, schön drapiertem Gemüse und Obst das meiste für den täglichen Bedarf. „Wir haben hier alles, was man so zum Überleben braucht“, lacht Angelina Fankel. Die 39-Jährige steht an diesem Morgen mit ihrer Mutter in dem kleinen Dorfladen. Die beiden teilen sich die Arbeit an Kasse und Bäckertheke. Kleingeld klimpert, „Danke und schönen Tag noch“, dann verlässt die Kundin den Laden und die nächste betritt ihn. Mit einem großen Einkaufskorb bewaffnet, mustert sie das Angebot an Käse, Fleisch- und Wurstwaren in der großen Kühltheke neben der Tür.
Einkaufsmöglichkeit im Dorf gerade für ältere oder immobile Menschen wichtig
Selbstverständlich ist dieses Einkaufserlebnis mitten im Ort keineswegs: Nur durch viel Herzblut und Engagement und einen guten Draht zur Kirchengemeinde kann der Laden sich heute so präsentieren. Denn dort, wo jetzt Lebensmittel feilgeboten werden, befand sich nicht einmal sechs Monate zuvor noch das Pfarrbüro des Ortes, standen Schreibtische und Schränke. Angelina Fankel und ihre Mutter sind auch nicht etwa fest angestellte Verkäuferinnen, sondern Ehrenamtliche, die mit einigen anderen Frauen in ihrer Freizeit den Dorfladen führen. Unterstützt werden sie dabei von einer festen Kraft mit einigen Wochenstunden. Ende 2020, so erzählt Angelina Fankel, habe der Bäcker im Ort aus Altersgründen den Betrieb eingestellt. Damit gab es in Heidenburg faktisch keine Einkaufsmöglichkeit mehr. In ländlichen Regionen mit kleineren Dörfern stellt das jedoch Menschen ohne Auto oder ältere Bewohnerinnen, die nicht mehr so mobil sind, vor Probleme. „Es war im Gemeinderat schnell klar, dass unbedingt ein Laden im Dorf erhalten werden soll. Dazu haben wir einen so genannten wirtschaftlichen Verein gegründet, der inzwischen über 100 Mitglieder zählt“, sagt Fankel, die Vorsitzende des Vereins ist. Ihre Mutter, Ingrid Diederich, ist ebenfalls eine Frau der ersten Stunde, sie hat den Verein mitgegründet. „Ich wollte mich unbedingt hier engagieren. Es ist mir so wichtig, weil es das Dorf belebt und die Leute den Laden als Anlaufpunkt nutzen. Man bleibt in Verbindung mit den Menschen“, so die 70-Jährige.
Das alte Pfarrhaus bot den perfekten Standort
2021 ging der Laden zunächst in den Räumen der alten Bäckerei mit seinem regionalen Sortiment an den Start: „Die Backwaren kommen aus Reinsfeld, die Wurst und das Fleisch vom Metzger aus Morbach und der Käse aus dem Saargau und Milchprodukte aus Hetzerath“, listet die Ehrenamtliche auf. Seit Kurzem werden auch selbstgenähte Baby-Kleidung oder Sträuße angeboten. Doch der alte Standort war nicht ideal. Hier kam die Kirche ins Spiel: „Wir hatten schon länger das alte Pfarrhaus im Blick, spätestens, seit klar war, dass das Pfarrbüro der Pfarrei Sankt Michael nach Thalfang ausziehen würde.“ Denn das ehemalige Pfarrhaus bietet nicht nur einen barrierefreien Zugang, sondern auch mehr Platz. Ein Team ehrenamtlicher Handwerker baute die Räume des Pfarrhauses im Sommer 2024 entsprechend um. Seit Juli ist der Dorfladen nun im Pfarrhaus zu finden. „Wir können im Frühjahr und Sommer draußen im Vorgarten Tische aufstellen und auch einen gemütliche Leseecke mit Tischen und Büchern finden die Kunden in einem Nebenraum“, berichtet Fankel stolz. Dort bieten die Ehrenamtlichen dienstags einen Treff für Gespräche und Beisammensein bei einer Tasse Kaffee an. Vor allem ältere Kunden nehmen das gerne an, so wie Stammkundin Mathilde Hagen. Die 88-Jährige ist gebürtige Heidenburgerin und froh über den Dorfladen mit all seinen Vorzügen. „Ich habe zwar meine Kinder, die mir größere Besorgungen aus Thalfang oder anderen Orten mitbringen, aber es ist wunderbar, dass ich die wichtigen Lebensmittel hier bekomme und nicht für alles fragen muss.“ In ihrer Jugend habe es noch drei Lebensmittelgeschäfte, Banken und ein Modegeschäft gegeben. Als auf der Kippe stand, ob überhaupt noch ein Laden in Heidenburg bestehen bleibt, „war ich wirklich in Sorge“, sagt sie. Was sie vor allem schätzt: „Hier trifft man immer jemanden für einen kleinen Plausch, und an den Dienstagen haben wir hier schon einen festen Frauentisch im Leseraum.“
Kirche unterstützt gern den Dorfladen und das große Engagement
Früher sei eben die Kirche der Ort gewesen, an dem man zu unterschiedlichen Ereignissen zusammenkam, mal nach der Messe auf einen Schwatz zusammenblieb. Aber heute treffe man in den Gottesdiensten nur noch wenige Leute. Das weiß auch Dekan Christian Heinz, der Pfarrverwalter für Heidenburg und die seit längerem vakante Pfarrstelle ist. Umso mehr freut es ihn, dass das alte Pfarrhaus nun zu neuem Leben erweckt wurde. „Wir sprechen ja immer davon, eine diakonische Kirche sein zu wollen. Das heißt, für die Leute vor Ort da sein und schauen, was sie in ihrem Leben, in ihrem Ort, brauchen. Dass es hier so ein beachtliches ehrenamtliches Engagement gibt, so ein Miteinander und Gemeinschaft, ist ja genau das, was mit Orten von Kirche gemeint ist“, betont Heinz. Der Umzug habe sich wegen der Bürokratie und aller möglichen Auflagen zwar hingezogen. Durch den unermüdlichen Einsatz eines Verwaltungsratsmitglieds der Pfarrei sei das Projekt erst möglich geworden. „Wenn wir Räume bieten können, wo ehrenamtliches Engagement stattfinden kann, wo Leute soziale Kontakte pflegen und einen Treffpunkt finden, dann kann das eigentlich besser gar nicht laufen.“ Und für die Zukunft könnte er sich Kooperationen mit dem Dorfladen vorstellen, etwa für das Beisammensein nach Gottesdiensten.
Montags bis freitags hat der Laden von 7.30 bis 12 und von 16 Uhr bis 18 Uhr geöffnet, samstags von 7 bis 12 Uhr. Informationen zu aktuellen Angeboten, vom „Eichhörnchenbrot“ bis hin zur „Nikolaussalami“, gibt es auf der Facebookseite des Dorfladens.