Christlicher Antijudaismus ist eine „Schamgeschichte“

Bischof Tilman Jeremias bei Beteiligungskonferenz gegen Antisemitismus

v.l. Juri Rosov, Shila Erlbaum, Dr. Felix Klein, Bischof Tilman Jeremias, Jochen Schmid.t Foto: Annette Klinkhardt/Nordkirche
v.l. Juri Rosov, Shila Erlbaum, Dr. Felix Klein, Bischof Tilman Jeremias, Jochen Schmid.t Foto: Annette Klinkhardt/Nordkirche

10.09.2024

 

(Schwerin/Greifswald/akl) - Als „Schamgeschichte“ bezeichnet Bischof Tilman Jeremias den christlichen Antijudaismus, eine der Wurzeln für den Antisemitismus. Dies sagte der Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) am Montag (9. September) bei der 2. Beteiligungskonferenz für einen Aktionsplan gegen Antisemitismus in Mecklenburg Vorpommern in Schwerin. Wörtlich sagte er:

 

„Ich finde es nahezu unerträglich, dass jüdische Menschen unter uns in Angst leben und sich mit Auswanderungsgedanken tragen. Mich schmerzt das zutiefst, und die Geschichte, die dahintersteckt, ist eben auch eine Schamgeschichte des christlichen Antijudaismus über Jahrhunderte hinweg. Die evangelisch-lutherische Kirche, für die ich auch Verantwortung trage, hat Martin Luther in ihrem Namen. Dieser schreibt in seinen Spätschriften nichts anderes als Hetze und Hass gegen Juden. Die Wurzeln des christlichen Antijudaismus gehen aber viel tiefer, bis in die Bibel hinein. Nicht bei Jesus, der Jude war und als Jude gelebt hat. Jesus wurden Äußerungen in den Mund gelegt, für die wir uns heute auch schämen müssen.“ 


Im Hinblick auf aktuelle Verschwörungstheorien sagte er: „Wir erleben gerade viele Krisen, vieles, mit dem wir nicht klarkommen. Manche identifizieren dann eine kleine Gruppe von Menschen, die angeblich schuld daran sind. Man darf nicht unterschätzen, wie entlastend dies sein kann für Menschen, die sich sehr überfordert fühlen. Es ist deshalb eine große Bildungsaufgabe, Kinder und Jugendlichen zu sagen, ihr seid für euer Leben selbst verantwortlich. Es sind nicht die anderen, die euer Leben schlecht machen. Das ist ein urdemokratischer Gedanke, selbst einzustehen dafür, dass die Welt friedlicher und gerechter wird. Diese katastrophale Dynamik, jemanden zum Sündenbock zu machen, müssen wir durch Bildung durchbrechen.“

Zur 2. Beteiligungskonferenz hatten das Ministerium des Landes Mecklenburg Vorpommern für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten, die Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern und der Beauftragte für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus Mecklenburg-Vorpommern ins Konzertfoyer des Mecklenburgischen Staatstheaters geladen.

 

Auf dem Podium diskutierten neben dem Bischof auch Shila Erlbaum vom Zentralrat der Juden in Deutschland, Dr. Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf der Antisemitismus sowie Juri Rosov, Vorsitzender des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern. Das Gespräch moderierte Jochen Schmidt, Direktor der Landeszentrale für politische Bildung in Mecklenburg Vorpommern.