Bundesfreiwilligendienst mit 59 Jahren: „Nicht nur eine Aufgabe für Junge“

Jürgen Sauer (59) absolviert den Bundesfreiwilligendienst in der Pfarrei Schwalbach Heilig Kreuz.

18.07.2024

Von Ute Kirch

(Schwalbach/uk) – Im Ruhestand nur noch zu Hause sein, im Garten arbeiten oder Gitarre spielen? „Dafür fühle ich mich zu jung“, sagt Jürgen Sauer. Der 59 Jahre alte Elmer suchte eine sinnstiftende Tätigkeit, aber auch etwas, das dem Tagesablauf Struktur verleiht. Fündig wurde der studierte Verwaltungswirt schließlich beim Bundesfreiwilligendienst für Männer und Frauen ab 27 Jahren (BFD 27plus), der auch von den Sozialen Lerndiensten im Bistum Trier angeboten wird. Seit April ist Sauer nun „Bufdi“ bei der Pfarrei Schwalbach Heilig Kreuz – 20,5 Stunden pro Woche ist er im Einsatz.

„Ich will weiterhin etwas tun und der Gesellschaft etwas zurückgeben. Meine Tätigkeit hier erachte ich als sinnstiftender, als die x-te Power Point Präsentation zum Thema Performance-Management für die Bank anzulegen“, erklärt Sauer, der von 1985 bis Dezember 2023 bei der Postbank beschäftigt war. Die letzten neun Jahre leitete er sein auf fünf verschiedene Standorte in Deutschland verteiltes Team vom Saarland aus. „Zum Schluss war ich nur noch in Online-Meetings. Da fehlten der persönliche Kontakt und Austausch.“ Dennoch habe er lange gezögert, das Angebot der Postbank anzunehmen, ihre älteren Beamten schon ab 56 Jahren in den Vorruhestand zu schicken. „Alle reden von einer längeren Lebensarbeitszeit. Kann ich da früher gehen?“, fragte sich der Vater zweier erwachsener Kinder. Doch wer 1000 Stunden ehrenamtlich arbeitet, oder einen Bundesfreiwilligendienst leistet, für den fängt die Postbank einen Teil der finanziellen Einbußen durch den Vorruhestand auf. „Aber das war nicht meine Hauptmotivation“, stellt Sauer klar, „mein Engagement in der Pfarrei ist nicht auf ein Jahr BFD angelegt. Ich mache das hier nicht nur für die Abgeltung meines Vorruhestands.“

"Backoffice" für Seelsorgende und Pfarrbüro

So begann sein Ehrenamt in der Pfarrei bereits im Januar, drei Monate vor dem Bundesfreiwilligendienst. „Die Pfarrei war zuvor keine Einsatzstelle, Pfarrer Hans Georg Müller und ich haben sie erst bei den Sozialen Lerndiensten eingerichtet“, blickt er zurück. „Ich bin eine Art Backoffice für die Seelsorgenden und das Pfarrbüro und bringe meine Erfahrung im Prozess-Management ein“, beschreibt er seine Tätigkeit. Die Personaldecke in der Pfarrei sei lange Zeit dünn gewesen. Die Pfarrsekretärinnen seien mit dem Alltagsgeschäft und dem „Kundenkontakt“ für Taufen, Beerdigungen und Trauungen mehr als ausgelastet, Pfarrer Müller sei neben seinen Aufgaben als Verwaltungschef und Seelsorger der großen Pfarrei noch Rektor des Püttlinger Klosters und seit Kurzem noch Dekan des Pastoralen Raums Saarlouis. „Das Team steckt bis zum Hals in Arbeit. Da bleiben notgedrungen Aufgaben liegen“, sagt Sauer. Da wäre zum einen der Stand der Technik „Wir nutzen noch Windows aus dem Jahr 2007“, sagt Sauer. Um das Arbeiten im Team zu erleichtern, plant die Pfarrei den Umzug in das Cloud-basierte System des Bistums Trier. „Dann kann jeder auf alle Dokumente zugreifen und das auch gleichzeitig, egal, von wo man arbeitet“. Dies sei auch aufgrund der unterschiedlichen Arbeitszeiten im Team hilfreich. Hierfür bedarf es aber noch zahlreicher Vorbereitungen – fachlicher wie technischer Natur. So muss unter anderem das Schwalbacher Pfarrhaus mit besserem WLan ausgestattet werden. Weiteres Beispiel für seine Tätigkeit ist die Mitarbeit an der Umsetzung des Institutionellen Schutzkonzepts, das jede Pfarrei im Bistum erstellen muss. Nachdem der Pfarrgemeinderat das Schutzkonzept beschlossen hatte, übernahm Sauer die Kontaktaufnahme zu allen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern. Sie müssen eine Selbsterklärung unterschreiben, ein Führungszeugnis einreichen und einen Fragebogen ausfüllen. Auch um die Auswertung des Rücklaufs kümmert sich der Bundesfreiwilligendienstleistende.

Erstes sichtbares Ergebnis seiner Arbeit ist die Anfang Juni gelaunchte neue Webseite der Pfarrei, die er gemeinsam mit Lars Reiplinger entwickelt und betreut. Eine weitere große Herausforderung wird das Einpflegen von Dokumenten in das Pfarrarchiv werden. Hier sei in der Vergangenheit zwar schon sehr viel passiert, durch die lange währende Personalknappheit sei das Thema aber nach hinten gerutscht. „Was die technischen Umstellungen, den Umgang mit Software oder auch die Archivarbeit angeht, bin ich sehr froh, im Bischöflichen Generalvikariat Ansprechpartner zu haben, deren Know-how ich anzapfen kann. Mein Ziel ist es, dass am Ende alle sagen, die Arbeit ist einfacher geworden. Und dass nicht mehr ganz so viele Verwaltungsaufgaben beim Pfarrer bleiben, für die er gar nicht zuständig sein sollte und die ihm Raum für seine seelsorgerische Arbeit rauben.“

Austausch mit jungen Menschen und anderen Kulturen

Zum Bundesfreiwilligendienst gehören monatliche Bildungstage, bei denen sich alle Freiwilligendienstleistenden treffen. „Da sind auch noch ein paar Leute wie ich 27plus, aber die meisten sind junge Menschen aus aller Welt – in unserer Gruppe gibt es zwölf verschiedene Muttersprachen. Der Austausch mit jungen Menschen und anderen Kulturen bereichert mich“, sagt Sauer. Auch inhaltlich nehme er von den Fortbildungen stets etwas Neues mit, obwohl er sich in seinem Berufsleben bereits intensiv mit Themen wie Zeitmanagement auseinandergesetzt hat. Wenn sein BFD zu Ende geht, hofft er, einen Nachfolger gefunden zu haben: „Ich will die Werbetrommel rühren für diese Form des sozialen Engagements: Ein Bundesfreiwilligendienst ist nicht nur eine Aufgabe für Junge, sondern für jeden. Er bietet so viele Möglichkeiten – wer möchte auch im Ausland.“

Mehr Informationen zum Bundesfreiwilligendienst und anderen Freiwilligendiensten gibt es bei den Sozialen Lerndiensten, Jesuitenstraße 13, 54290 Trier, Tel.: 0651-993796-300 oder online: www.soziale-lerndienste.de, www.facebook.com/soziale.lerndienste.