Ad limina mal anders – Starke Frauen im Gespräch mit Rom

Frauen auf dem Weg zu Gesprächen im Vatikan. v.l.n.r. Theresa Kucher, Bärbel Bloching, Andrea Tanneberger, Dr. Johanna Rahner, Elisabeth Niggemeyer, Claudia Friedrich, Christine Sentz, Sr. Nicola Maria Schmitt, Nadine Maier, Gabriele Denner, Christine Göttler-Kienzle. Foto: Diözese Rottenburg-Stuttgart / isz

23.09.2024

 

(Rom/Stuttgart/drs/isz) - Auf Initiative des Diözesanrats haben sich 12 Frauen der Diözese Rottenburg-Stuttgart vom 15. bis 19. September auf eine Reise nach Rom begeben. Die Idee dazu hatten die beiden Diözesanrätinnen Andrea Tanneberger und Claudia Friedrich gemeinsam mit Gabriele Denner, der Geschäftsführerin des Diözesanrats.

 

Das Datum 15. bis 19. September – bewusst gewählt – lag vor der 2. Runde der Weltsynode, die vom 2. bis 27. Oktober in Rom stattfindet. Die Frauen – in der Diözese Rottenburg-Stuttgart in unterschiedlichen Funktionen aktiv – wollten in dieser wichtigen Zeit mit verschiedenen Vertreter:innen der katholischen Weltkirche ins Gespräch kommen. Im Austausch mit Verantwortungsträger:innen vor Ort in Rom sollten Vorurteile gegenüber dem Synodale Weg ab- und Vertrauen aufgebaut werden, außerdem sollten Reformanliegen zur Sprache kommen.

 

Die Zusammensetzung der Frauengruppe repräsentierte das breite Spektrum der Diözese. Mit dabei waren u.a. Frauen aus der Jugendarbeit, von der Caritas, eine Pastoralreferentin, die eine Gemeinde leitet, eine Frau mit Taufbeauftragung, Laienvertreterinnen usw. „Wir haben versucht, die Vielfalt einer durchschnittlichen Diözese darzustellen, wie Frauen dort in Leitungspositionen, in der Pastoral, in der Verwaltung aber auch in der Planung von Kirche eingebunden sind und Verantwortung übernehmen“, erklärte Dr. Johanna Rahner, die als Professorin für Dogmatik, Dogmengeschichte und Ökumenische Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen als Vertreterin für die wissenschaftliche Theologie dabei war.

 

Im Gepäck hatten die engagierten und begeisterten Frauen viele Fragen. Gleichzeitig war es ihnen ein großes Anliegen, aufzuzeigen, was in der Diözese Rottenburg-Stuttgart bereits erreicht und konkret umgesetzt wurde. „Wir sind einerseits hier, um zuzuhören, was die einzelnen Dikasterien bewegt, andererseits möchten wir auch zeigen, welche Kompetenzen und Erfahrungen wir mitbringen. Zudem war uns wichtig, kursierende Fehlinformationen und Fakenews zu entkräften“, so Rahner. „Die Themen, die wir angesprochen haben, sind nicht neu, doch erhofften wir uns, dass unsere Gesprächspartner offen für unsere Sichtweisen und Anliegen sind. Und den ein oder anderen interessanten Impuls mitnehmen, auch hinsichtlich der Weltsynode“, erklärte Gabriele Denner. Wohlwissend, welche Privilegien Frauen in Deutschland gemessen an der Weltkirche haben, stellte sich die Frage, welche Vision der Zukunft es für Frauen in der katholischen Kirche geben kann. Und was die Kurie bereits für die Gleichberechtigung der Frauen in der Kirche tut. Eine weitere zentrale Frage war auch, wie die Kirche mit der Spannung zwischen Einheit und Vielfalt innerhalb der Weltkirche umgeht.

 

Das erste Gespräch fand mit dem kürzlich zum Erzbischof ernannten irischen Geistlichen Monsignore John Josef Kennedy statt, der zweite Mann im Dikasterium für Glaubenslehre. Er zeigte sich sehr offen und interessiert an den Anliegen der Frauen und betonte, dass bei dem Gespräch sehr deutlich wurde, wie wichtig den Frauen ihr Glaube und die Zukunft ihrer Kirche sei. Und auch, wenn ihm bewusst sei, dass er keine Lösungen für die Anliegen der 12 Frauen habe, so sei ihm wichtig miteinander zu sprechen, im Austausch zu sein, zuzuhören und zu verstehen. Für ihn war es eine ganz neue Erfahrung in den Räumlichkeiten des Dikasteriums mit Frauen in Austausch zu gehen. An dem Konferenztisch spreche er üblicherweise nur mit Bischöfen.

 

Einander zuhören, voneinander lernen, einander verstehen, sich auszutauschen und Netzwerke zu bilden – ob im Austausch mit Stephanie MacGillivray, leitende Mitarbeiterin bei Caritas Internationalis in Rom und dort verantwortlich für die Entwicklung weiblicher Führungskräfte oder mit den Schwestern der Internationalen Union der Generaloberinnen (UISG), waren genau das die Stichworte, die immer wieder fielen. „Wir brauchen Möglichkeiten uns auszutauschen, um die unterschiedlichen Perspektiven wahrzunehmen. Und wir müssen voneinander wissen, um dann eine gemeinsame Vision entwickeln zu können“, erklärte Schwester PatriciaMurray, die Exekutivsekretärin der UISG ist. Sie bestärkte die Frauen darin, ihre Geschichten als Frauen in der Kirche zu erzählen und so weltweit in den Austausch mit Christinnen zu gehen. Und damit aufzuzeigen, was bereits möglich ist.

 

Kardinal Walter Kasper, selbst von 1989 bis 1999 Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, ermutigte die Frauen: „Ich möchte euch Hoffnung machen. Es wächst mehr als man denkt, auch wenn man es nicht gleich sieht. Papst Franziskus hat Prozesse angestoßen, die vor 30 Jahren noch gar nicht denkbar gewesen wären. Deshalb machen Sie weiter. Auch in der Frauenfrage. Es gilt die Kunst des Möglichen.“ So sei für ihn auch das Diakonat der Frau theologisch möglich. Es müsse heute schon umgesetzt werden, was möglich sei und da sei noch viel mehr möglich, so Kasper.

 

Auch im Gespräch mit Bischof Luis Manuel Alí Herrera, Leiter der Kommission für Kinder- und Jugendschutz und seinen Mitarbeitenden wurde klar, wie wichtig der Austausch gerade mit Blick auf das Thema Prävention und Schutz von Kindern und Jugendlichen innerhalb der kirchlichen Strukturen ist. Die Kommissionsmitglieder betonten dabei, wie wichtig es Papst Franziskus sei, gute Voraussetzungen zu schaffen, den Missbrauch in der katholischen Kircheaufzuarbeiten und den Kinder- und Jugendschutz zu stärken. Die Arbeit der Kommission besteht darin, die Informationen zu Vorkommnissen, deren Aufarbeitung und Prävention aus allen Diözesen der Welt zu bündeln und diese jährlich dem Papst zu übergeben. Aus den Ergebnissen entwickeln sie Vorschläge für Präventionsmaßnahmen auch in Bezug auf die strukturellen und systemischen Ursachen sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche. Bischof Alí und seine Mitarbeitenden zeigten sich sehr interessiert an den Erzählungen und Erfahrungen der Frauen zum Thema Präventionsarbeit in der Diözese Rottenburg-Stuttgart sowie an der Arbeit der unabhängigen Kommission sexueller Missbrauch (KsM). Sie luden Expert:innen der Diözese zum geplanten Austauschtreffen im November 2024 nach Rom ein.

Zum Abschluss ihrer Gespräche in Rom tauschten sich die Frauen mit Schwester Nathalie Becquard aus. Sie ist Untersekretärin der Weltsynode und zählt zu den einflussreichsten Frauen im Vatikan. Mit Blick auf die im Oktober stattfindende Weltsynode war eines der zentralen Themen die Rolle der Frau in der Weltkirche. Unter dem Motto „eine Synodale Kirche ist eine hörende Kirche“ interessierte sich Becquart sehr für die Erfahrungen und Kompetenzen der Frauen aus Rottenburg-Stuttgart. Dabei zeigte sich im Gespräch auch, wie komplex, herausfordernd, vielfältig und bunt die Weltkirche und ihre Kulturen ist. Ebenso wurde nochmals deutlich, wie wichtig die Funktion Becquarts bei der Weltsynode ist. Ihre leitende Position gibt ihr die Möglichkeit der aktiven Mitgestaltung und das aus weiblicher Perspektive. Becquart riet den Frauen: „Ihr habt viel zu geben. Aber geht auch raus und hört zu.“

 

Welche Erkenntnisse und Impulse die Frauen aus Rottenburg-Stuttgart für Ihre Arbeit oder Tätigkeit in der Diözese mitnehmen? Es sei dieses ernsthafte Interesse, die Offenheit und die Wertschätzung gewesen, die den Frauen von allen Gesprächspartner:innen entgegengebracht wurde, „das mich überrascht und beeindruckt hat“, resümierte Gabriele Denner und fügte hinzu: „durch die Bank haben uns alle bestärkt, weiterzumachen, das anzugehen, was möglich ist. Das heißt für uns, sobald wir wieder einen neuen Bischof in unserer Diözese haben, werden wir, also alle Beteiligten dieser Reise, mit ihm das Gespräch suchen. Mit ihm über unsere Erkenntnisse und Erfahrungen in Austausch gehen und gemeinsam Wege suchen, das umzusetzen, was heute schon möglich ist – pastoral und strukturell. Dabei möchte ich auch ganz besonders den Diözesanrat bestärken und unterstützen.“ Außerdem gebe es Überlegungen eines Austausches mit den weiblichen Vertreterinnen in der Weltsynode, „und unsere ausgesprochene Einladung an Monsignore Kennedy umzusetzen,unsere Diözese zu besuchen, um unsere Arbeit kennenzulernen – auch mit Blick auf Prävention und Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der Kirche“, erklärte Denner.

 

Das abschließende Fazit – die 12 Frauen ziehen durchweg ein positives Resümee. Sie zeigen sich dankbar, Teil dieser besonderen „Mission“ gewesen zu sein. „Wir haben vertrauensbildende und wertvolle Gespräche erlebt, konnten unsere Anliegen emphatisch vermitteln und wurden gehört. Es waren hoffnungsvolle Begegnungen in Rom“, so die Meinung der Frauen.