Sierra Leone: „Kirche in Not“ finanziert Ausbildung von Priestern in Trauma-Seelsorge

Pfarrer Peter Konteh, Vorsitzender der „Bruderschaft Katholischer Priester“ in Sierra Leone. © Kirche in Not
Pfarrer Peter Konteh, Vorsitzender der „Bruderschaft Katholischer Priester“ in Sierra Leone. © Kirche in Not

1.04.2025

 

(München/acn) - Das weltweite katholische Hilfswerk „Kirche in Not“ (ACN) unterstützt in Sierra Leone die Ausbildung von 150 Priestern, um traumatisierte Menschen zu begleiten. Die Seelsorger sollen zu offiziellen „Beauftragten für Versöhnung, Heilung, sozialen Wandel und Zusammenhalt“ werden, so Pfarrer Peter Konteh, langjähriger Projektpartner von „Kirche in Not“ und Vorsitzender der „Bruderschaft Katholischer Priester“ in Sierra Leone.

 

Für das westafrikanische Land an der Atlantikküste ist die Trauma-Bewältigung ein beherrschendes Thema: Überall sind noch die Folgen des Bürgerkriegs spürbar, der von 1991 bis 2002 andauerte. Das gilt auch für Konteh, wie er berichtet: „Ich lag eines Tages im Bett und schlief. Da hörte ich Explosionen. Ich sprang auf, weckte einen Priesterkollegen in meinem Haus und rief ihm zu: ,Wir müssen fliehen!'“ Doch der Priester beruhigte ihn: „Wir sind nicht mehr in Sierra Leone, sondern in den USA. Was Du hörst, ist das Feuerwerk zum Nationalfeiertag am 4. Juli.“ Da war der Krieg schon einige Jahre her. „Da merkte ich, dass ich nach wie vor traumatisiert bin“, erzählt Pfarrer Konteh.

Eine Ordensfrau in Sierra Leone kümmert sich um eine notleidende Frau. © Karl Gähwyler/Kirche in Not
Eine Ordensfrau in Sierra Leone kümmert sich um eine notleidende Frau. © Karl Gähwyler/Kirche in Not

 

 

Viele körperliche und seelische Wunden

Der Krieg in Sierra Leone und eine anschließende Ebola-Epidemie hätten viele seelische und körperliche Wunden hinterlassen: Rebellengruppen schlugen Menschen die Hände ab, um sie an der Teilnahme an Wahlen zu hindern. Das Militär übernahm in einem Staatsstreich die Macht. Zehntausende Menschen wurden während der elf Kriegsjähre getötet, verstümmelt oder – sogar als Kinder – zu Gräueltaten an ihren Landesleuten gezwungen.

Welche Folgen das hat, verdeutlicht Pfarrer Konteh mit einem persönlichen Erlebnis: „An der Tür vor unserer Kathedralkirche saß immer ein Bettler. Auch er war während des Krieges verstümmelt worden. Eines Tages kam ein gut angezogener Mann und wollte dem Bettler eine Spende zustecken. Aber der weigerte sich, das Geld anzunehmen. Es stellte sich heraus: Der Bettler hatte den Mann wiedererkannt. Er war es, der ihm die Hände abgehackt hatte.“

 

Aus Wut wird Versöhnung

Der Seelsorger begann sich mit beiden Männern gemeinsam zu treffen. Der Bettler machte seiner Wut Luft: „Früher konnte ich arbeiten, heute kann ich nicht einmal mehr ohne Hilfe zur Toilette gehen. Siehst Du, in was für eine Situation du mich gebracht hast?“ Der Täter sei in Tränen ausgebrochen, erzählt Pfarrer Konteh: „Er erinnerte sich nach und nach an die Umstände der Tat. Er erzählte, dass er unter Drogen gesetzt worden war. Sie sehen, auch die Täter sind traumatisiert.“

Nach acht Sitzungen habe der verstümmelte Mann schließlich erklärt, er könne seinen Peiniger jetzt besser verstehen und habe begonnen, ihm zu verzeihen. „Doch das reichte dem ehemaligen Kämpfer nicht“, berichtet der Priester. „Er wollte wissen, wie er sein Verbrechen wieder gut machen könne.“ Natürlich könnten die Taten nicht rückgängig gemacht werden, aber es würde aus diesen Begegnungen Wahrheit, Verständnis, Verantwortung und auch nach und nach Heilung entstehen.

 

Enge Zusammenarbeit von Christen und Muslimen

Dabei spiele auch das stabile Miteinander von Christentum und Islam in Sierra Leone eine große Rolle. Gut zwölf Prozent der acht Millionen Einwohner von Sierra Leone sind Christen, über 60 Prozent Muslime.

Anders als in zahlreichen afrikanischen Staaten ist das Zusammenleben weitgehend konfliktfrei. „Einige unserer afrikanischen Nachbarn finden es seltsam, wenn Christen ihre muslimischen Freunde in der Moschee besuchen, aber für uns ist das normal“, berichtet Pfarrer Konteh. Eine gemeinsame Kommission stünde zur Verfügung, wenn es Streit zwischen Muslimen und Christen gebe. Fast die Hälfte der Priester in Sierra Leone seien Konvertiten, viele hätten durch die Schule Kontakt zum christlichen Glauben bekommen. Nach wie vor genieße die Kirche hohes Ansehen in der gesamten Bevölkerung: „Wir geben den Menschen nicht nur Brot zu essen; sie wissen, dass sie uns vertrauen können.“

Das soll nun auch beim neuen Projekt in der Trauma-Seelsorge spürbar werden. Selbstverständlich werden die ausgebildeten Geistlichen sowohl für Christen als auch Muslime da sein. Um die Weiterbildung fachlich und methodisch an den neuesten Entwicklungen auszurichten, arbeitet die „Bruderschaft Katholischer Priester“ mit der US-amerikanischen Universität Boston zusammen. Später sollen auch Ordensleute und freiwillige Helfer in der Begleitung traumatisierter Menschen geschult werden, so Pfarrer Konteh: „Auf diese Weise hoffen wir, ein Leuchtfeuer der Hoffnung für eine Nation zu sein, die noch immer tiefe Wunden zu heilen versucht.“

Unterstützen Sie die Arbeit der Kirche in Sierra Leone und die Schulung von Traumseelsorgern mit Ihrer Spende: www.spendenhut.de oder auf folgendes Konto:

Empfänger: KIRCHE IN NOT

LIGA Bank München

IBAN: DE63 7509 0300 0002 1520 02

BIC: GENODEF1M05

Verwendungszweck: Sierra Leone