Rettung aus Gaza

DREI MONATE NACH IHRER EVAKUIERUNG SCHWANKEN DIE KINDER AUS DEM SOS-KINDERDORF RAFAH ZWISCHEN FREUDE UND SCHULDGEFÜHLEN

Foto: SOS-Kinderdörfer weltweit Hermann-Gmeiner-Fonds Deutschland e.V.. Fotograf: Jakob Fuhr
Foto: SOS-Kinderdörfer weltweit Hermann-Gmeiner-Fonds Deutschland e.V.. Fotograf: Jakob Fuhr

19.06.2024

 

(Bethlehem/München/ots) - In einer spektakulären Rettungsaktion war das SOS-Kinderdorf Rafah in Gaza am 11.März 2024 evakuiert worden. Die 68 Kinder, ihre Betreuenden sowie deren Familien gehören zu den wenigen Anwohnern Gazas, die während des Krieges außer Landes gebracht werden konnten. Drei Monate später leben die Kinder zwischen Freude und Schuldgefühlen.

Ola war als Betreuerin bei der Evakuierung dabei. Sie sagt: "Hier gibt es zum Glück keine Gefahren mehr." Im SOS-Kinderdorf Bethlehem haben die Kinder ein vorübergehendes neues Zuhause gefunden. Die Begegnung zwischen den einheimischen Kindern und denen aus Gaza sei von Beginn an harmonisch abgelaufen. Ola sagt: " Es ist bemerkenswert, dass sich unsere Kinder nicht verschließen, nach allem, was sie im Krieg erlebt haben. Ich bin so stolz auf sie, dass sie ihr neues Leben in Bethlehem annehmen und auf andere Menschen zugehen können."

 

"Werden wir morgen früh lebend aufwachen?"

Die Sozialarbeiterin Eslam betont, dass die Kinder gleichwohl noch viel Zeit brauchen. Der Krieg, die Angst ums eigene Leben sei nicht spurlos an ihnen vorübergegangen. Sie sagt: "Wer an Kampfgeräusche und Angst gewöhnt ist, braucht Zeit, sich mit Ruhe und Frieden vertraut zu machen. In Rafah standen die Kinder unter Dauerstress. Sie konnten nicht einfach auf die Straße spazieren. An solch simple Sachen, die für andere Menschen selbstverständlich sind, müssen sie sich erst wieder gewöhnen." Die Sozialarbeiterin ist seit 13 Jahren für die SOS-Kinderdörfer tätig und hat die Kinder auf der Flucht von Rafah nach Bethlehem begleitet. Sie sagt: "Die Symptome des Krieges kommen noch immer hoch: vor allem nachts in Form von Bettnässen und Albträumen." Nachtruhe habe es in Gaza nicht mehr gegeben. "Ständig sind die Kinder zu uns gekommen und haben gefragt: 'Werden wir morgen früh lebend aufwachen? Wann wird unsere Zeit zum Sterben kommen? Wann sind wir dran?'", sagt Eslam.

 

Sorge um Freunde

Um die Erlebnisse zu verarbeiten, werden die Kinder therapeutisch unterstützt. Ghada Hirzallah, Leiterin der SOS-Kinderdörfer in Palästina, sagt: "Sie haben Traumata erlitten, aber sie haben auch viel Kraft. Wir kümmern uns um ihre körperliche und mentale Gesundheit. In ihren Alltag haben wir viele Aktivitäten wie Mal- und Tanztherapie integriert, in denen sie auf spielerische Weise mit dem Erlebten umzugehen lernen. Sie haben ein Recht darauf, wie jedes andere Kind, frei und sicher zu leben, und ihre Träume und Ziele zu verfolgen." Nicht allen Kindern fällt das leicht. Hirzallah sagt: "Sie sind zwiegespalten: Einerseits sind sie froh, hier zu sein, andererseits fühlen sie sich schuldig, weil sie ihre Freunde zurückgelassen haben. Wir arbeiten mit ihnen zusammen, damit sie ihre Schuldgefühle loslassen können. Sie sind smart und lernen mit der Situation umzugehen. Und sie sind dankbar für die Möglichkeiten, die sie hier in Bethlehem bekommen." Dazu zählt auch die Chance auf Bildung. Die Kinder konnten seit Beginn der Kampfhandlungen in Gaza nicht zur Schule gehen. Nun erhalten sie übergangsweise Unterricht, bis das neue Schuljahr beginnt, und sie am regulären Schulalltag teilnehmen können.

Petition der SOS-Kinderdörfer fordert sofortige Waffenruhe

Die SOS-Kinderdörfer haben eine Petition gestartet, in der unter anderem eine sofortige Waffenruhe, der Schutz der Zivilbevölkerung sowie ein ungehinderter Zugang für humanitäre Hilfe gefordert wird. Die Hilfsorganisation ruft dazu auf, die Petition jetzt zu unterzeichnen: https://www.sos-kinderdoerfer.de/petition-gaza

Sowohl in Israel als auch in Palästina leisten die SOS-Kinderdörfer seit Jahrzehnten Hilfe für Kinder, die die elterliche Fürsorge verloren haben oder davon bedroht sind, sie zu verlieren und unterstützen Familien, um sie vor dem Zusammenbrechen zu bewahren.