Nigeria: „Frieden wahren, statt Vergeltung zu üben“

Bischof spricht über Diskriminierung von Christen und Einsatz für Dialog

Bischof Gerald Mamman Musa bei einem Gottesdienst zum „Red Wednesday“ 2024. © Radio Horeb
Bischof Gerald Mamman Musa bei einem Gottesdienst zum „Red Wednesday“ 2024. © Radio Horeb

16.12.2024

 

(München/acn) - Gerald Mamman Musa ist seit 2023 Bischof von Katsina im Norden Nigerias. Er ist der erste Amtsinhaber aus der Volksgruppe der Hausa. Zu seiner Bischofsweihe kamen auch viele Muslime; Musa selbst hat viele muslimische Verwandte und setzt sich für den interreligiösen Dialog ein. Dennoch erlebt die christliche Minderheit im Norden Nigerias Ausgrenzung und Gewalt.

 

Davon hat Bischof Musa berichtet, als er Ende November im Rahmen der Aktion „Red Wednesday“ bei „Kirche in Not“ Deutschland zu Gast war. Mit dem „Red Wednesday“ macht das weltweite katholische Hilfswerk auf das Schicksal verfolgter und bedrängter Christen aufmerksam. Mit Bischof Musa sprach André Stiefenhofer, Pressesprecher von „Kirche in Not“ Deutschland.

Mitglieder einer katholischen Pfarrei im Bistum Katsina. © Kirche in Not
Mitglieder einer katholischen Pfarrei im Bistum Katsina. © Kirche in Not

 

André Stiefenhofer, „Kirche in Not“: Bischof Musa, wie viele Christen im Norden Nigerias haben sie familiäre Beziehungen zu Muslimen. Erzählen Sie uns davon.

 

Bischof Gerald Mamman Musa: Mein Vater konvertierte vom Islam zum Christentum. Das war als Teenager. Er ist oft gefragt worden: „Warum hast du deinen Glauben gewechselt? Ist es, weil du eine katholische Schule besucht hast?“ Er hat gesagt: „Es ist nicht nur wegen der Ausbildung, sondern vor allem wegen der Liebe, die ich von den Missionaren erlebt habe.“ Sie haben sich um seine persönliche Entwicklung gesorgt, wie Eltern.

 

Wie ist das Verhältnis zwischen Christen und Muslimen in Nordnigeria?

Das Verhältnis war lange sehr gut, eine friedliche Koexistenz. Dann kamen islamistische Sekten ins Land. Sie sagten, der Islam sei zu schwach und sie würden ihn reformieren. Daraufhin wurde unser Zusammenleben schwieriger. Aber das liegt nicht an den Muslimen, sondern am politischen oder extremistischen Islam.

 

Wie stark sind diese Sekten?

Es gibt eine ganze Menge davon, und sie nehmen zu. Manche werden aus dem Ausland finanziert. Daneben erleben wir auch eine Politisierung des Islam. Und genau darin liegt das Problem. In Katsina und anderen Bundesstaaten Nigerias wurde die Scharia eingeführt, das islamische Gesetz. Das haben Politiker gefördert, die populär sein wollten.

 

Wie geht es den Christen unter der Scharia?

Nach der Einführung hat sich das Zusammenleben verändert. Einige Muslime begannen, uns zu beschimpfen und als Ungläubige zu bezeichnen. Wir sehen, dass dem politischen Islam wichtige Dinge fehlen. Wir erlebten keine Gerechtigkeit. Die Politiker blieben so korrupt wie eh und je, aber dem einfachen Mann auf der Straße wurde wegen eines Diebstahls die Hand abgehackt.

 

Wie können Sie unter diesen Bedingungen das kirchliche Leben gestalten?

Es gibt liberalere Beamte in den Behörden, die ein offenes Ohr haben. Aber es gibt auch viele Extremisten, gerade an den verantwortlichen Stellen. Es gibt eine systematische Diskriminierung von Christen – in Bezug auf Arbeitsplätze, Chancen, Ressourcen. Wir Christen erleben auch immer wieder Gewalt. Ein Beispiel: Eine Kirche in meinem Bistum wurde dreimal niedergebrannt. Immer, wenn es ein Problem oder eine Meinungsverschiedenheit gibt, kommen Extremisten in diese Kirche und zünden sie an.

 

Was ist Ihre Antwort auf diese Bedrohungen?

Wir suchen immer den Dialog mit allen Menschen. Denn wir sind Anhänger von Jesus, dem Friedensfürsten. Wenn wir ihm treu bleiben wollen, müssen wir Frieden bewahren, statt Vergeltung zu üben. Deshalb ermutigen wir unsere Leute, nicht nur mit den Politikern zu reden, sondern auch inmitten dieser Herausforderungen ruhig und friedlich zu bleiben.

 

Beobachter sprechen immer wieder davon, dass die Probleme im Norden Nigerias wirtschaftliche oder soziologische Ursachen haben. Auch die klimatischen Veränderungen würden zur Verschärfung der Konflikte zwischen Viehhirten und Bauern beitragen. Wie groß ist der religiöse Faktor bei all dem?

Es wäre zu bequem und emotional, jeden Konflikt als religiös zu betrachten. Es gibt immer mehrere Dimensionen. Es gibt wirtschaftliche Aspekte, zum Beispiel die Wasserknappheit. Die Nomaden finden dadurch keine Wasserplätze für ihre Herden. Es gibt auch ethnische und historische Aspekte. Aber innerhalb des Ganzen kommen auch religiöse Aspekte zum Tragen. Ein Beispiel: Im Oktober 2024 kam eine neue religiöse Gruppe ins Land. Sie rekrutiert junge Männer und bietet ihnen dafür hohe Geldsummen. Natürlich fragen wir uns: Was hat das mit Religion zu tun? Aber sie bezeichnen sich selbst als religiöse Gruppe. Es gibt religiöse Extremisten, die nichts anderes als Unruhe stiften wollen.

 

„Kirche in Not“ möchte den Christen in Nigeria in diesem vielfältigen Konflikt helfen. Was brauchen Sie am meisten?

 

Sie können uns in vier sehr wichtigen Bereichen helfen: Der erste ist die Ausbildung von Seelsorgern. In meiner Diözese haben wir in diesem Jahr nur zwölf von 50 Bewerbern ins Priesterseminar aufnehmen können. Uns fehlen einfach die Mittel. Der zweite Aspekt ist Bildung. Wir haben viele Kinder im schulpflichtigen Alter, deren Eltern es sich nicht leisten können, sie in die Schule zu schicken. Die katholische Kirche baut Schulen, um Kindern eine kostengünstige Ausbildung zu bieten. Und der dritte Bereich sind die Medien. Wir können so viele Menschen über Fersenehen, Radio oder Internet erreichen. Aber wir können nicht selbst senden, denn es gibt in Nigeria ein Gesetz, dass religiösen Organisationen den Betrieb von Sendestationen verbietet.

Gilt dieses Gesetz nur im Norden oder in ganz Nigeria?

 

In ganz Nigeria. Aber auch wenn wir nicht selbst unsere Sendungen ausstrahlen dürfen, können wir gute Sendungen produzieren und sie in den Pfarreien oder den Schulen zeigen. Gerade im Bildungsbereich kann die Kirche viel über die Medien tun.

Und dann ist da noch der vierte Bereich: „Kirche in Not“ tut viel, damit wir überhaupt Menschen erreichen können. Unsere Straßen sind schlecht. Wir brauchen Fahrzeuge für unsere Priester und Katecheten, Motorräder und so weiter. Wir sind dankbar, dass „Kirche in Not“ auch hier hilft. Denn ohne Mobilität, ohne Bewegung können wir nicht evangelisieren.

 

Bitte unterstützen Sie die Arbeit der Kirche in Nigeria mit Ihrer Spende – online unter: www.spendenhut.de oder auf folgendes Konto:

Empfänger: KIRCHE IN NOT

LIGA Bank München

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BIC: GENODEF1M05

Verwendungszweck: Nigeria