IM JOURNAL BEI WIR IM NETZ - POLITIK

Foto: Siedler
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Tausend Aufbrüche. DIE DEUTSCHEN UND IHRE DEMOKRATIE SEIT DEN 1980ER-JAHREN

Die brillante Analyse der jüngsten deutschen Geschichte – auf wissenschaftlicher Basis, aus gesamtdeutscher Perspektive

Jenseits der Klischees vom abgehängten Osten und übermächtigen Westen untersucht Christina Morina – anhand bisher unerforschter Selbstzeugnisse wie Bürgerbriefe und Flugblätter – die Demokratievorstellungen ganz normaler Bürgerinnen und Bürger seit den 1980er Jahren. Sie zeigt, dass viele DDR-Bewohner sich mit ihrem Land und dessen »volksdemokratischen« Idealen identifizierten, dem Staat und seinen Institutionen gegenüber jedoch skeptisch blieben. Diese Staatsferne gepaart mit einem spezifisch ausgeprägten Bürgersinn, dessen Potentiale nach der Vereinigung weitgehend ungenutzt blieben, wirkt bis heute nach. 

Im Zusammenspiel mit einem wieder erstarkenden Nationalismus entstand so auch der Nährboden für den Aufstieg des Rechtspopulismus. Die Grenzen der westdeutschen Liberalisierung werden so ebenso sichtbar wie die Vielfalt der ostdeutschen Demokratieaneignungsversuche. 

 

 

Foto: © S. Jonek/Universität Bielefeld
Foto: © S. Jonek/Universität Bielefeld

Christina Morina ist seit 2019 Professorin für Allgemeine Geschichte unter besonderer Berücksichtigung der Zeitgeschichte an der Universität Bielefeld. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der Gesellschafts- und Erinnerungsgeschichte des Nationalsozialismus, in der politischen Kulturgeschichte des geteilten und vereinigten Deutschlands sowie in dem Verhältnis von Geschichte und Gedächtnis. Christina Morina studierte Geschichte, Politikwissenschaft und Journalistik an den Universitäten Leipzig, Ohio und Maryland (USA) und wurde 2007 mit einer Arbeit über den Krieg gegen die Sowjetunion in der deutsch-deutschen Erinnerungskultur promoviert. Sie war von 2008 bis 2015 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, wo sie sich 2017 mit einer Arbeit über die Ursprünge des Marxismus habilitierte.

 

 

Christina Morina

Tausend Aufbrüche

HC, Geb. mit SU, 400 Seiten

28,00 € (D), 28,80 € (A), CHF 37,90*,

 

Erschienen am 27.09.2023 im Siedler Verlag

Vielschichtiges Bild der jüngsten deutschen Demokratiegeschichte

 

Ist der 3. Oktober ein reines Verwaltungsdatum, wäre der 9. November der bessere Tag der Deutschen Einheit? Jüngst gewinnt die Idee wieder an Zulauf, wenig verwunderlich, wurde die Diskussion um den Stand der inneren Einheit zuletzt wieder hitzig geführt. 

Doch die Debatte ist eingefahren zwischen populistischer Konfliktbefeuerung einer- und beschwichtigender Ermunterungsprosa andererseits. Die renommierte Historikerin Christina Morina zeichnet in »Tausend Aufbrüche« ein vielschichtiges Bild der jüngsten deutschen Demokratiegeschichte. Sie zeigt:

 »Dass man der Überwindung der deutschen Teilung, die friedlich gelang, am 3. Oktober gedenkt, hat seine gute Berechtigung. Der 9. November ist ein besonderer, überaus beladener Tag in der deutschen Geschichte. Er eignet sich von allen deutschen Gedenktagen am wenigsten für identitätspolitische Vereinnahmungen, egal aus welcher Richtung sie kommen.«

 

Christina Morina zeigt, dass viele DDR-Bewohner sich zwar mit ihrem Land und dessen "volksdemokratischen" Idealen identifizierten, viel weniger aber mit dessen Staat und Institutionen. Diese Staatsferne gepaart mit einem ausgeprägten Bürgersinn, dessen Potentiale nach 1990 weitgehend ungenutzt blieben, wirkt bis heute nach. - Ei wichtiger Beitrag zum Verständnis der Geschichte und Gegenwart unserer Demokratie, der die eingefahrenen Ost-West-Debatten in ein völlig neues Licht rücken.


Autor: Siedler Verlag; zusammengestellt von Gert Holle - 25.11.2023