Angedacht: Eine bessere Wahl - von Gert Holle
Im eigenen Leben stehen wir oft an Wegkreuzungen, an denen wir uns
entscheiden müssen. Nach links, nach rechts, geradeaus oder eine 180-Grad-Kehrtwende? Höre ich auf meine innere Stimme oder lasse ich die gut gemeinten Ratschläge derer, die es vermeintlich
besser wissen, an mir vorbeiziehen? So wie jene Gänse auf dem Hof: Da steht der beredsamste Gänserich am Zaun und schnattert über Gott und die Welt. Über den Stolz, „Gans“ zu sein. Über
Erfahrungen aus der Vergangenheit und Lehren aus der Geschichte. Über eine neue Zukunft. Er erzählt von den Vorfahren, die einst zu fliegen wagten. Vom Sinn der Flügel und dem Instinkt zu
fliegen. Es ist ergreifend. Er spricht den anderen aus der Seele und macht dabei wahrlich keine schlechte Figur. Die Gänse spenden langen Beifall. Nur eins tun sie nicht: fliegen.
Sie gehen zur Tagesordnung über. Machen weiter, wie bisher. Futter haben sie ja genug, und in ihrem Stall fühlen sie sich immer noch sicher….
Warum fragt denn keine: Wie macht man das: fliegen? Wer wagt es gemeinsam mit mir?
Endlich das glaubwürdig zu leben, wozu wir auf der Welt sind!
Vielleicht mag es den Gänsen wie Dr. Faust gehen. Der sinniert über sein Dasein nach, entschließt sich, dem Materiellen durch Selbstmord zu entfliehen und wird dann von seinem Vorhaben durch
Chorgesang, der in sein Zimmer dringt, abgehalten. Die Chöre verkünden nicht nur die Osterbotschaft von der Auferstehung Christi, sondern sie legen sie aus und feiern sie als Befreiung aus der
Gefangenschaft des Sterblichen und des Menschlichen überhaupt. Der Chor weist auf die Prüfung hin, die der Mensch als Irrender zu bestehen hat und die er durch die Liebe zu Christus bestehen
kann. Die letzte Chorstrophe fordert zur tätigen Liebe. Faust hört diese Botschaft, kann ihr aber nicht folgen: „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube!“.
Mir kommt so manche Botschaft in den Sinn, die ich zwar vom Kopf her verstehen kann, der ich aber dennoch sehr skeptisch gegenüberstand und stehe. Und ich fühle mich den Gänsen auf dem Hof ganz
nah. In meiner Jugendzeit in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts hörte und las ich vom großen Waldsterben, von der Energiekrise, von der atomaren Bedrohung. Heute wird von der globalen
Erwärmung und vom Abschmelzen der Polkappen gesprochen. Ich kenne die Thesen und Argumente der Wissenschaftler zum Klimawandel, von Mahnern und Warnern. Gerade habe ich ein Buch gelesen, in dem
von einem Gespräch zwischen dem Dalai Lama, Greta Thunberg und führenden Wissenschaftlern berichtet wird. Sie sprachen über die sogenannten Klima-Feedback-Loops, also sich selbst
verstärkende Kreisläufe, die die Erde zerstören, aber auch retten können. So, wie sich jetzt diese Feedback-Loops in einer negativen Abwärtsspirale drehen, so können sie sich auch in eine
positive Richtung entwickeln. Warum auch nicht? Ich nicke wieder mit dem Kopf und bin doch versucht zu sagen: Ja, der Klimawandel ist sehr schlimm, aber „Futter habe ich noch genug und in
meinem Stall fühle ich mich immer noch sicher.“ … Und gehe zur Tagesordnung über. Doch die Wahlmöglichkeit bleibt, die Möglichkeit, Träume, wie die vom Fliegen im übertragenen Sinne, umzusetzen.
Die Möglichkeit, die Erkenntnisse ernst zu nehmen und persönlich etwas zu tun, einen eigenen Beitrag zu leisten, in tätiger Liebe zu Christus und den Nächsten. In diesem Buch wird der Dalai
Lama so zitiert: „Wie Greta sagte, haben wir bereits alle Fakten und Lösungen, die wir benötigen. Wir müssen unsere Art zu denken, neu ausrichten.“ Und damit greift er im Prinzip das auf, was er
das ganze Leben schon betont: „Veränderungen beginnen damit, dass wir sehen, was wirklich ist, anstatt zu sehen, was wir gerne sehen würden.“ Oder mit meinen Worten, um auf die Anfangsgeschichte
zurück zu kommen: Es wird zu viel geschnattert. Zu wenig geträumt und dann auch in die Tat umgesetzt. Doch wir haben die Wahl, es besser zu machen. – In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine
gesegnete Woche. Ihr Gert Holle
Autor: Gert Holle - 30.09.2024