DER DENKANSTOSS

Wind und Geist 



Gottes Geist wird im Johannesevangelium (3, 8) mit dem Wind verglichen. Jesus sagt: „Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt. So ist es bei jedem, der aus dem Geist geboren ist.“ Wind, Sonne, Regen sind nicht planbar, ebenso wenig wie die Kraft Gottes, die tröstet, erhellt, ermutigt, bestärkt, zusammenbringt. Gott gibt seinen Geist wann er will, wie er will, wem er will. In der neueren Kirchensprache heißt das Unverfügbarkeit. Das meint nicht, dass Gottes Geist ausverkauft ist. Er lässt sich aber nicht wunschgemäß und termingerecht bestellen. Er ist ein Geschenk. Auch Handeln geht nicht. Jahrhunderte lang wurden die verschiedensten Währungen ausprobiert. Alle sind gescheitert, denn Gott lässt grundsätzlich keine Handelsbeziehungen zwischen sich und den Menschen zu.

Im Mittelalter zum Beispiel dachten viele Leute, Gott würde sie mit seinem Geist erfüllen, wenn sie eine Wallfahrt machen oder sich auf einen Kreuzzug begeben. Andere gaben ihren Besitz den Armen oder der Kirche. Wieder andere gingen als Mönch oder Nonne ins Kloster. Viele fasteten und marterten sich mit Bußwerken. Aber Gott ließ sich dadurch nicht zwingen. Der Mönch Heinrich Seuse quälte sich 16 Jahre auf exquisite und ekelerregende Weise. Dann traf er seinen älteren Ordensbruder Meister Eckhart. Der sagte: Lass den Quatsch! Komm runter! Nimm dich nicht so wichtig! Seuse tat es und wurde zum Glaubensmann, der vielen half und Bücher schrieb, die heute noch lesenswert sind.

Heutzutage sind andere Zahlungsmittel im Umlauf. Seit einigen Jahren zieht sich ein immer engmaschiger werdendes Netz geistlicher Gastronomie über unser Land. Spirituelle Zentren werben Kundinnen und Kunden, die vom Alltag genervt und angegriffen sind. Ihr Angebot ist ein heilsamer Ort zum Innehalten und Kraft schöpfen, um gestärkt in den Alltag zurückkehren zu können. In den kleinen Glücksversprechen der achtsam gestalteten Ankündigungen und Faltprospekte ist Gottes Geist irgendwie mit untergemengt. Ich zweifle an der Erfüllung, denn ich vermute, dass den Heimkehrenden der Alltag nur umso trister und belastender erscheint. So könnte die Sehnsucht nach der Auszeit zum dauernden Lebensbegleiter werden, während sich die Entfernung zum erhofften Geistgeschenk immer mehr vergrößert.

Es geht aber auch ganz weltlich. Ein guter Vorsatz kann gleich mehrere Heilsversprechen in sich tragen. Ich werde in Zukunft besser einkaufen! Damit sorge ich gut für mich und meine Familie mit guten Lebensmitteln, guter Kleidung und all dem anderen, was wir so brauchen. Außerdem engagiere ich mich für andere, die nicht die Sonnenseite des Lebens genießen. Mit meinen Mehrkosten fördere ich faire Produktion, fairen Handel und tue doch irgendwie auch der Umwelt gut. Wenn es mir jetzt noch gelingt, mich nicht über die zu erheben, die das nicht tun, könnte Gott doch eigentlich ein bisschen mit mir zufrieden sein und mir ab und zu eine kleine Sondergratifikation zukommen lassen. Höchstwahrscheinlich funktioniert es nicht.

Ich plädiere deshalb für mehr Gelassenheit und Kindlichkeit. Komm runter! Nimm dich nicht so wichtig! Der seelsorgerliche Zwischenruf des mittelalterlichen Gelehrten scheint mir auch heutzutage nicht der schlechteste Rat zu sein. Ein Kenner seiner Schriften stellte fest, dass die Personen seiner Sympathie sehr „alltäglich und gewöhnlich“ sind. Ist das schlimm? Ich finde nicht. So sind sie nämlich offen für Gottes Gaben.




Autor: Friedrich Fuchs (Pfarrer in Büdingen – Wolf); Foto: Archiv - 23.4.2015