Gedanken zum Gründonnerstag: Werden wir bei ihm bleiben? – Von und mit Gert Holle
Jesus reitet auf einem Esel in Jerusalem ein. In die Stadt der großen Hoffnung auf Frieden in allen Lebensbereichen. Weil genau das unsere Welt so nötig hat, wo immer es auch sei… - Die Leute schwenken die Palmzweige, rufen und jubeln. Hosianna, Hosianna. Noch scheint alles so wunderbar. Ein wahrer Triumphzug am vergangenen Sonntag. Doch wir wissen: jeder Triumph fordert seinen Tribut. In der Politik. Im Beruf. Im täglichen Zusammenleben. Der Mann auf dem Esel ahnt dies ebenfalls. Nein, er weiß es, ganz sicher. Er kommt mit einem Esel, nicht hoch und stolz zu Ross mit riesigem Gefolge. Lediglich zwölf Freunde begleiten ihn und sehen, wie er allen Menschen mit Freundlichkeit begegnet. Er ist so ganz anders, als der Retter, der Messias, den sich die Leute am Wegesrand so herbeigesehnt hatten.
Heute, keine vier Tage später, am Gründonnerstag feiert dieser gleiche Mann in vertrauter Runde ein großes gemeinsames Essen. Ein letztes Abendmahl. Er ahnt, dass die Zeit gekommen ist, Abschied zu nehmen. Er wäscht seinen Freunden die Füße. An diesem Abend geht es um Gemeinschaft, aber auch um zerstörte Gemeinschaft. Und es geht um den Leib unseres Herrn, aber auch um den zerrissenen, den zerteilten Leib. Es geht auch darum, wer und was das für Leute sind, die am Tisch des Herrn zusammenkommen. Heute fallen viele Masken. Heute wird deutlich, wie wir zu Jesus stehen. – Noch sieht alles nur schön aus, wie sie da zusammensitzen, Brot essen und Wein trinken. Sich verstehen … wie vertraute Freunde eben … . Der „Leib Christi“, die Gemeinschaft Jesu mit seinen Anhängern ist schon nicht mehr so innig verbunden, wie es scheint. Weder untereinander, noch mit ihm, der hier sagt: „Für euch vergossen, für euch gebrochen…“. Nur noch Minuten werden verrinnen, dann lassen sie ihren Herrn in seiner tiefsten Verlassenheit allein. Schlafen, während er sich ängstigt, weint. Und er muss fühlen, wie wenig ihre Freundschaft wert ist. Nur eine weitere halbe Stunde später, da liefert Judas seinen Herrn aus. Mit einem Kuss. Ausgerechnet mit dem Zeichen der Freundschaft und der Liebe. Und kurz darauf wird sein Vertrauter Petrus leugnen, ihn je gekannt zu haben. Vor dem Hohen Rat und bei Pilatus ist keiner der Freunde mehr bei ihm.
Solange er noch Menschen gesund gemacht und heil, ja, da standen sie zu ihm! Solange sie noch gerne auf seine Worte hörten, wenn er von seinem himmlischen Vater sprach und der Verheißung eines ewigen Lebens. Und er fand ja auch überall Aufnahme. Und seine Leute mit ihm. Ja, man riss sich geradezu um seine Gesellschaft. Und er hatte Macht, sogar über den Tod. Dem Wind und den Wellen konnte er gebieten! Und immer wieder fiel ja auch ein wenig von seinem Glanz auf die Menschen, die um ihn herum waren. – Doch an diesem Abend gilt es: Wer hält bei ihm aus, wenn es ernst wird und gefährlich? Wer bleibt bei ihm, wenn er, der immer andere getröstet hat, selbst Trost bedarf? Wer steht zu ihm, wenn es so richtig teuer werden kann, einer von seinen Anhängern zu sein? Fragen über Fragen. Auch bei Jesus. Und das nicht zum ersten Mal. Er ist eigentlich Fragender von Natur aus. Er fragt seine Jünger und Jüngerinnen, Kranke und Arme, Junge und Alte, Freunde und Gegner. Über 220 Fragen richtet Jesus im neuen Testament an sie und eröffnet den Weg zum Nachdenken und Glauben. Nicht durch Belehrung begegnet er ihnen. Ein Weg der Freiheit. Vielleicht dachte und zweifelte Jesus in seiner Verlassenheit ähnlich, wie ich es mir in einem Liedtext mal vorstellte: „So viele Fragen an manchen Tagen, wenn wir unbekannte Wege geh’n. So viele Fragen, an manchen Tagen, was wird sein, wenn ich nicht mehr bin? Gibt es einen Gott, der zu mir hält? Gibt es einen Weg, wo keine Straßen mehr sind? Gibt es einen Halt, wenn ich immer tiefer falle? Gibt’s den Himmel oder gar die Hölle?“ – So viele Fragen an manchen Tagen …
Wie ist das heute bei uns? Gewiss, am Donnerstagabend erinnern wir uns, wie er sein letztes Mahl feierte, suchen in dem einen oder anderen Gottesdienst Gemeinschaft. Nennen uns seine Gemeinde, seine Freunde … Und später? Wir stehen zu ihm, an diesem Abend. Noch. Und danach, am Karfreitag? Wenn er verspottet, geschlagen, am Kreuz gedemütigt wird … In den nächsten Tagen? Wenn es etwas kostet, sich zu ihm zu bekennen? – Vielleicht wird das heute noch sein, dass einer oder eine uns braucht, uns stumm bittet, dass wir bei ihm oder ihr aushalten, reden, Zeit haben. Weil er Angst hat, sie sich sorgt. Beide einsam sind. – Werden wir bei ihm, bei ihr bleiben? Werden wir die kleine Weile für die Hilfsbedürftigen opfern? Oder sind wir zu müde, zu uninteressiert, gleichgültig?
Ich bin zuversichtlich: Obwohl ihn damals alles verlassen haben, hat Jesus keinen ausgeschlossen. Jeder darf und kann bei ihm anders werden, neu beginnen. Begeben wir uns auf den Weg und bleiben bei ihm. Ihr Gert Holle
Autor: Gert Holle - 26.03.2024