Angedacht: Selbstverständlich wie das Wasser – von und mit Gert Holle
Die meisten Menschen sind Gewohnheitstiere. Ich bin auch so ein
„Tierchen“. So beginnt mein Tag eigentlich erst, wenn ich die Zeitung am Frühstückstisch gelesen habe. Reine Gewohnheit. Genauso wie das Zähneputzen. Viele Abläufe im Alltag sind automatisiert,
sind zu Selbstverständlichkeiten geworden. Sie erleichtern das Leben – ohne dass wir groß darüber nachdenken müssten. Vielleicht fehlt deshalb oftmals auch die Wertschätzung dafür? - Vieles in
unserem Leben ist sogar so selbstverständlich, dass wir es bewusst gar nicht wahrnehmen. Es fällt gar erst auf, wenn die gewohnte Ordnung gestört wird. Wenn auf dem Weg ins Büro mal die Ampel
ausfällt, die dir sagt, wann du stehen und wann du fahren darfst. Wenn die Kaffeemaschine streikt und wir feststellen, wie hilflos wir manchmal dastehen. Dann gibt es aber auch die großen Dinge
in unserem Leben, die wir für so selbstverständlich halten. Gerade in einer Zeit, in der Misstrauen gesät, Falschmeldungen verbreitet werden, Menschen in vielen Staaten drangsaliert werden, weil
sie für das öffentlich einstehen, woran sie glauben, wird mir immer wieder aufs Neue bewusst, dass die Möglichkeit, seine Meinung frei zu äußern, eine tolle Errungenschaft ist. Ist es nicht
großartig, dass wir uns in unserem Land eben nicht hinter irgendwelchen Fassaden verstecken müssen, um Kritik an Machthabern, an Systemen, an missliebigen Zuständen zu äußern? Keine
Selbstverständlichkeit und in der Menschheitsgeschichte hart erkämpft. Oder wie ist es mit der Freiheit? Die wird doch meist erst geschätzt, wenn sie gefährdet ist. Oder der Frieden? An all das
haben wir uns gewöhnt. So sehr, dass wir manchmal mit diesen Errungenschaften sehr leichtfertig umgehen oder ihnen in unserem Leben keinen Platz einräumen. Oftmals ist es auch so mit unserem
Glauben, der erst dann eine Rolle zu spielen scheint, wenn wir in Schieflage geraten. Dabei trägt uns die Liebe Gottes doch von Anfang an. Eine Selbstverständlichkeit?
Es war einmal ein kleiner Fisch, der hieß Emil. Er hatte gehört: Fische brauchen Wasser zum Leben. Doch er hatte das noch nie gesehen. So machte er sich auf, es zu suchen. Vergeblich. Kein Fisch
konnte ihm helfen. Auch nicht Kuno, der weitgereiste Wels: „Das Wasser ist doch vor dir“, meinte er, „und auch hinter dir!“. Doch Emil sah nur ihn und einen großen Heringsschwarm.
Baldo, der Wal, nahm ihn schließlich auf seinen Rücken: „Ich werde dir zeigen, wo das Wasser ist. Und warum die Leute sagen, es sei zum Leben notwendig!“ Und er stieg nach oben an die
Wasseroberfläche. Er tauchte auf, ragte aus dem Wasser wie ein Berg. Und ganz oben: Emil, der kleine Fisch. Sein Kopf schien zu zerspringen. Hilflos zappelte er hin und her. Es war ihm, als müsse
er sterben. „Oh, wäre ich doch nur im Wasser geblieben!“, fuhr es durch seinen kleinen Fischkopf. Und sie tauchten wieder runter.
„Das Wasser hat mich umgeben, und ich habe es so lange gesucht“, meinte Emil. „Weil es für mich selbstverständlich war!“ - So oder ähnlich mag es auch mit unserem Gott sein und seiner Liebe. Er
ist mit uns – „am Abend und am Morgen. Und ganz gewiss an jedem neuen Tag!“
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gesegnete Zeit. Ihr Gert Holle
Autor: Gert Holle - 5.03.2024