Angedacht: Prellböcke im Leben

Foto: canva.com
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Von und mit Gert Holle

 

Ein kurzer Ruck, Bremsen quietschen. Der Zug kommt zum Stehen – kurz vor dem Prellbock, der unmissverständlich sagt: „Ende der Wegstrecke!“…

Prellböcke tauchen plötzlich und unvermittelt auf unserem Lebensgleis auf: Das scheinbare Ende der Berufskarriere durch Arbeitslosigkeit, ein Autounfall bei Glatteis, eine Trennung, ein Todesfall … Stillstand. Ohne Perspektive der bisherige Weg. Soll ich nun aussteigen? Zu Fuß weitergehen? In dieselbe Richtung nur mit anderer Geschwindigkeit? Oder soll ich mit dem Zug bis zur letzten Weiche zurücksetzen und weiterfahren in eine Richtung, die Sinn macht? Um dann mit offenen Sinnen rechtzeitig die Warnsignale wahrzunehmen. Nicht ungebremst an allem vorbeifahren, was vielleicht stören könnte …

Prellböcke in unserem Leben, Prellböcke für jeden von uns – an ihnen kommen wir nicht vorbei: Holocaust-Überlebende, Politiker, aber auch Vertreter der Jugend erinnern auch in diesem Jahr in der letzten Januarwoche in Gedenkveranstaltungen an die Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau durch die rote Armee. Auschwitz, das Synonym für den Massenmord der Nazis an über 1,1 Millionen europäischen Juden. Auschwitz, der Ausdruck des Rassenwahns. 1996 wurde auf Initiative des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog der 27. Januar zu einem Gedenktag – nicht zu einem Feiertag im üblichen Sinn. Gedenken und Nachdenken über das Geschehene können Orientierung für die Zukunft geben.

Im Deutschen Bundestag sagte Herzog damals:
„Ich wünsche mir, dass der 27. Januar zu einem Gedenktag des deutschen Volkes, zu einem wirklichen Tag des Gedenkens, ja des Nachdenkens wird. Nur so vermeiden wir, dass er Alibi-Wirkungen entfaltet, um die es uns am allerwenigsten gehen darf. Eine Kollektivschuld des deutschen Volkes an den Verbrechen des Nationalsozialismus können wir, wie ich schon sagte, nicht anerkennen; ein solches Eingeständnis würde zumindest denen nicht gerecht, die Leben, Freiheit und Gesundheit im Kampf gegen den Nationalsozialismus und im Einsatz für seine Opfer aufs Spiel gesetzt haben und deren Vermächtnis der Staat ist, in dem wir heute leben. Aber eine kollektive Verantwortung gibt es, und wir haben sie stets bejaht. Sie geht in zwei Richtungen:
Zunächst darf das Erinnern nicht aufhören; denn ohne Erinnerung gibt es weder Überwindung des Bösen noch Lehren für die Zukunft.
Und zum andern zielt die kollektive Verantwortung genau auf die Verwirklichung dieser Lehren, die immer wieder auf dasselbe hinauslaufen: Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechte, Würde des Menschen.“

Und die damalige Bundestagspräsidentin Dr. Rita Süßmuth sagte:

„Erinnern tut weh. Es löst Entsetzen aus und lässt uns verstummen und aufschreien zugleich. Sich den bedrückendsten Wahrheiten unserer Geschichte zu stellen, ist unverzichtbar. Dazu verpflichten uns die Opfer, ihre Angehörigen und Nachkommen. Aber es ist auch für uns selbst notwendig, damit wir den unauflöslichen Zusammenhang von Erinnerungs- und Zukunftsfähigkeit begreifen.“

Dass der 27. Januar als „DenkTag“ unverzichtbar ist und dass immer wieder an die Verbrechen des Nazi-Regimes erinnert werden muss, wird immer dann besonders deutlich, wenn rechtsextreme Fanatiker eine Bühne suchen. Freiwillig umzudenken und umzukehren scheint schwer. Umkehr ist aber möglich, wenn die Richtung, das Ziel, die Orientierung stimmen. Jesus sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“

 

 


Autor: Gert Holle - 23.01.2024