Von Friedrich Fuchs
Der Teufel hat sich drei Prüfungen ausgedacht. Als Jesus sie besteht, dienen ihm die Engel. Matthäus (4, 1 – 11) erzählt die Geschichte. Tausendundeine Nacht, Aladins Lampe und Prinz Achmeds fliegender Teppich grüßen. Zauberkunst mit Steinen, Engelbehütung bei tollkühnen Mutproben und die Weltherrschaft sind ziemlich märchenhafte Angelegenheiten. Ich suche nach Gegenwartsnähe. Dazu sehe ich mir z. B. die langen Werbeblocks im Fernsehen und die einschlägigen Seiten in den Illustrierten an. Die aufwändige Trendforschung der Unternehmen hilft mir bei der Arbeit. Ich erfahre, wie der Zeitgeist gerade weht. Der Teufel ist schlau. Er webt seine Prüfungen clever und kunstvoll hinein. Drei große Verlockungen scheinen derzeit die Szene zu dominieren. Die erste lebt von der Sehnsucht nach Freiheit, Abenteuer und Erlebnis. Weite Landschaften, Meer und Steilküste werden von den Werbeleuten gerne genommen. Die zweite kommt aus dem Bedürfnis nach Sicherheit, Versorgung und Stabilität. Sinnbilder sind Familienidyllen, Frühstückstische oder Kaminfeuer. Die dritte hat mit eigenem Wert, Bedeutung und Wohlstand zu tun. Erwachsene Sportlerinnen und Sportler in schicken Klamotten zeigen Selbstbewusstsein. Das graphische Symbol des Zeitgeistes ist für mich ein gleichseitiges Dreieck mit Event-Ecke, Schutz-Ecke und Ich-Ecke. Heutzutage findet das Leben bei uns meistens irgendwo darin statt. Ist daran etwas verkehrt? Eigentlich nicht. So ist Leben eben. Andererseits scheint da etwas nicht zu stimmen. Sonst wären wohl mehr Glück, Zufriedenheit und dergleichen Annehmlichkeiten im Umlauf. Das Gegenteil ist der Fall. Angesagt ist Frust. Der öffnet für viele Versuchungen. Mir ist etwas aufgefallen. Die besagten Eckpunkte fügen sich nicht zu einem harmonischen Ganzen. Meistens stehen sie gegeneinander. Wer Freiheit und Selbstbestimmung haben will, kann nicht gleichzeitig Schutz und Sicherheit haben. Zur Erlebnis-Ecke gehört das Risiko, zur Schutz-Ecke eher nicht. Wer immer unangefochten gut dastehen will, sollte Eigenwilligkeit besser nicht unter Beweis stellen und sich lieber smart, gefällig und teamfähig zeigen. Allzu starke Ich-Ecken verziehen ohnehin bei vielen aus dem wirklichen Leben in die Fantasie. Ich befürchte, dass die aktuellen Sehnsuchtsecken eine Art Bermuda-Dreieck darstellen, in dem große Portionen Leben auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Unerklärlich und rätselhaft ist mir das nicht. Die kirchlichen Räume liegen nicht außerhalb des Risikogebietes. Ich mache die Probe und höre beim Autofahren die Radio-Andacht. Der Sprecher sagt, dass das Leben ein wunderbares Gottesgeschenk ist und ich aus jedem Tag, jedem Moment ein tiefes, echtes Erlebnis machen kann. Fette Hausaufgabe aus der Event-Ecke! denke ich. Gleich danach kommt die Ich-Ecke. Du bist einmalig! Du bist wunderbar! Schön, dass es dich gibt! lese ich im Schaukasten einer Kirchengemeinde. In seltenen Augenblicken ist mir tatsächlich so. Die Schutz-Ecke lässt auf sich warten. Dann ist sie da in Gestalt einer netten Pfarrerin, die mir beim Wort zum Sonntag die Zusage macht, dass ich in allen Lebenslagen von guten Mächten wunderbar behütet und bewahrt werde. Alles ist richtig, alles ist wahr, alles ist in Ordnung. Es kommt in moderner Sprache daher und bekräftigt, wonach ich mich sehne. Trotzdem wächst da ein Unbehagen in mir. Vielleicht ist das Rundumpaket, das mir an vielen Orten in vielen Variationen angeboten wird, in Wirklichkeit ein Hochspannungsfeld. Wenn es so wäre, dann wäre es wieder einmal höchste Zeit zum Widerstand. |
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Autor: Friedrich Fuchs (Pfarrer in Büdingen – Wolf); Foto: Archiv -
7.3.2015
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