Katholische Arbeitnehmer-Bewegung gedenkt Seligem Nikolaus Groß am 80. Jahrestag seiner Ermordung durch das NS-Regime.
25.01.2025
Von Ute Kirch
(Neunkirchen/ekhn) – „Tod durch Erhängen“, lautete das Urteil des Volksgerichtshofs am 15. Januar 1945 gegen Nikolaus Groß, einen NS-Widerstandskämpfer aus Niederwenigern (NRW). Nur wenige Tage später – am 23. Januar 1945 –, 109 Tage bevor der Krieg endete, wurde es in Berlin-Plötzensee vollstreckt. Groß, der 46 Jahre alt wurde, hatte sich unter anderem als führende Kraft der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) deutschlandweit einen Namen gemacht.
„Nikolaus Groß ist Vorbild für uns, die Erinnerung an ihn unser Auftrag“, sagte die KAB-Bezirksvorsitzende Saar, Christine Steimer, am Donnerstag. Der KAB-Diözesanverband Trier und der Bezirksverband Saar hatten gemeinsam zu einer Gedenkstunde am 80. Todestag in die Begegnungsstätte „momentum – Kirche am Center“ in Neunkirchen geladen, um des Widerstandskämpfers zu gedenken. „Nikolaus Groß ist für uns als KAB eine wichtige Person, er war Bergmann, das verbindet ihn mit dem Saarland, er war Gewerkschafter, Journalist und im Widerstand verankert. Er handelte aus den Tiefen seines Glaubens heraus“, sagte KAB-Diözesan-Geschäftsführerin Ruth Mareien de Bueno.
Eine Präsentation im momentum zeigte anhand vieler Fotos das Leben von Nikolaus Groß: wie er 1917 in den Gewerkverein christlicher Bergarbeiter Deutschlands eintrat, drei Jahre später den Bergmannsberuf aufgab, um Gewerkschaftssekretär zu werden und sich dort für bessere Arbeitsbedingungen unter Tage einsetzte. Parallel schrieb er für Verbandszeitungen. 1927 wurde er Redakteur der Westdeutschen Arbeiterzeitung (später umbenannt in Ketteler-Wacht), dem Verbandsorgan der KAB Westdeutschlands, deren Chefredakteur er später wurde. Die Zeitung fuhr einen kritischen Kurs gegenüber dem Nationalsozialismus, nannte dessen Anhänger unter anderem „Größenwahnsinnige“, „Volksbetrüger“, „Hohlköpfe“ und „Gewalttäter.“ 1938 verboten die Nazis die Zeitung.
Seligsprechung am 7. Oktober 2001
Im Widerstand engagierte sich Nikolaus Groß bereits seit 1927. Als Angehöriger des Kölner Kreises, einem Netzwerk aus KAB-Vertretern, christlichen Gewerkschaftern und Zentrumspolitikern im Rheinland und Westfalen, stand er ab 1942 in Kontakt zu Carl Goerdeler, aber auch zu Vertretern des Kreisauer Kreises. Er beteiligte sich an Überlegungen für die Zeit nach Hitler. Gut drei Wochen nach dem 20. Juli 1944 wurde Groß im Zusammenhang mit dem Attentat verhaftet, obwohl er nicht daran beteiligt war. „Er schwamm mit im Verrat, muss folglich auch darin ertrinken“, hieß es später in der Urteilsbegründung.
Von seinem tiefen Glauben und Gottvertrauen zeugt nicht zuletzt sein Abschiedsbrief an seine Frau Elisabeth und die gemeinsamen sieben Kinder, der während der Gedenkstunde vorgelesen wurde und in dem es heißt: „Wieviel hatte ich noch für Euch tun wollen – der Herr hat es anders gefügt. Der Name des Herrn sei gepriesen. Sein Wille soll an uns geschehen. Fürchtet nicht, daß angesichts des Todes großer Sturm und Unruhe in mir sei. Ich habe täglich immer wieder um die Kraft und Gnade gebeten, daß der Herr mich und Euch stark mache, alles geduldig und ergeben auf uns zu nehmen, was Er für uns bestimmt oder zugelassen.“
Am 7. Oktober 2001 wurde Nikolaus Groß von Papst Johannes Paul II. auf dem Petersplatz in Rom seliggesprochen. An dieses Ereignis erinnerte während der Gedenkstunde Pfarrer i.R. Martin Münster, früherer langjähriger KAB-Bezirksseelsorger. Er war damals mit einer Gruppe Eltern, Lehrer und Schüler der bischöflichen Nikolaus-Groß-Schulen in Lebach mit dem Zug nach Rom gefahren.
Biographiearbeit als wichtiges Element
Die Teilnehmenden der Gedenkstunde diskutierten darüber, wie die Erinnerungskultur und das Wissen über die Verbrechen des Nationalsozialismus heutzutage vermittelt werden kann. Für die heutige Schülergeneration sei die NS-Zeit oft ein Thema unter vielen, wie etwa die Römerzeit oder die Ständegesellschaft, berichtete der Schulleiter der Nikolaus-Groß-Gemeinschaftsschule Andreas Hackert. Daher sei die Biographiearbeit über den Namenspatron der Schule ein wichtiges Element, um Emotionen zu wecken. Eine „kritische Revision“ der Erinnerungskultur fordert der KAB-Landesbezirk Saar in einer Resolution „Keine Verharmlosung der Geschichte des deutschen Reichs“, die Bezirksgeschäftsführer Andreas Luce verlas. Die Erinnerungskultur unterliege einem gesellschaftlichen Wandel: „Diesen gilt es zu gestalten, neu zu beschreiben und mit modernen Mitteln zu kommunizieren.“ Dies sei auch angesichts der in den letzten Jahren zu beobachteten Tabubrüche bezüglich der NS-Zeit notwendig. Die KABler äußerten ihre Besorgnis vor zunehmendem Rechtspopulismus in Deutschland und der Welt. „Es ist so wichtig, sich gerade heute, einen Monat vor der Bundestagswahl, mit der Thematik zu beschäftigen, denn ,Nie wieder!‘ ist jetzt“, sagte Mareien de Bueno.